Von Michael Landgraf
Die Ausstellung „Europas Juden im Mittelalter“ hat viele Erwachsenen und Kinder nach Speyer gelockt. Kinder konnten durch die Angebote der Abteilung „Junges Museum“ einen Einblick über eine lange Geschichte des Miteinanders von Juden und Christen entdecken. Es gibt sie nicht mehr, die Zeit, in der christliche und jüdische Kinder in ganz Deutschland miteinander aufwachsen und ihren Glauben gemeinsam kennen lernen können. Bei uns in der Pfalz war dies in vielen kleinen Dörfern und in den großen Städten möglich. Davon zeugen heute noch Friedhöfe und Gebäude, in denen Juden früher feierten und lebten. Wenn ein jüdisches Kind uns aber erzählt, wie es seinen Glauben lebt, dann wird es besonders Folgendes uns erzählen:
Schabbat
Bei uns beginnt der Schabbat jede Woche am Freitag Abend und endet am Samstag Abend. Dieser Tag soll für Gottesdienste und die Familie frei gehalten werden. In der Tora, unserer heiligen Schrift, steht: Am Sabbat soll man nicht arbeiten, nicht weit gehen oder auch kein Feuer machen. Viele Familien kochen deshalb am Tag zuvor, halten die Speisen warm und machen es sich zu Hause gemütlich. Du kannst diese Vorschriften übrigens auch in deiner Bibel finden. Die Tora, das sind nämlich die ersten fünf Bücher der Bibel.
Freitag Abend feiern wir das Schabbat-Mahl. Es wird der Tisch festlich gedeckt.
Frauen haben hier eine wichtige Rolle. Nur sie dürfen die zwei Schabbat-Kerzen
anzünden und die Familie mit „Guten Schabbat“ begrüßen.
Oft laden wir Freunde zum Schabbat-Essen ein.
Am Schabbat gehen wir in die Synagoge. So heißt das Gotteshaus bei uns
Juden.
Männer tragen dort eine Kippa, ein Käppchen, und sie legen sich den
Tallit um, das ist ein Gebetsmantel. Im Gottesdienst werden Gebete gesprochen,
es wird gesungen und aus der Tora gelesen.
Lebensfeste
Im Leben eines Juden gibt es Feste, die besonders gefeiert werden. Zwei davon
betreffen auch uns Kinder.
Acht Tage nach der Geburt werden Jungen beschnitten und erhalten dabei ihren
Namen. Mädchen bekommen den Namen bei einem eigenen Fest. Weil schon in
der Geschichte von Abraham die Beschneidung erwähnt
wird, ist diese für Juden besonders wichtig.
Mit 13 Jahren, in dem Alter, wenn bei uns Konfirmation ist, wird ein Junge
„Bar Mizwa“ – „Sohn der
Pflicht“. Er ist nun ein Mitglied der Gemeinde mit allen Rechten und Pflichten.
Nun darf er auch im Gottesdienst vorne aus der Tora vorlesen. Er erhält
einen Gebetsmantel und einen Gebetsriemen.
Mädchen gelten schon mit 12 Jahren für ihre Religion als erwachsen.
Sie dürfen nun zu Hause die Schabbat-Lichter anzünden und die Gebete
sprechen.
Jahresfeste
Die großen Feste erinnern uns Juden an Ereignisse, die auch bei euch in der Bibel nachzulesen sind. Sie lassen die Geschichte meines Volkes lebendig werden.
Das Jahr beginnt mit dem Neujahrsfest. Man feiert „Rosch
ha Schana“ – „Haupt des Jahres“. Neujahr wird bei
uns im Herbst gefeiert, denn mit der Ernte war für die Menschen früher
das Jahr zu Ende. Wenige Tage nach Neujahr feiern wir Juden das Versöhnungsfest
„Jom Kippur“. Viele beten den ganzen Tag und
essen nichts.
An Neujahr und am Versöhnungsfest soll man darüber nachdenken, was
man alles falsch gemacht hat und wie man sein Leben ändern kann. Das ist
manchmal nicht so einfach. Zeichen für das Neujahrsfest und den Versöhnungstag
ist ein Widderhorn, das „Schofar“. Auf diesem Horn bläst man,
wie auf einer Posaune. Das Schofar erinnert an eine Geschichte Abrahams und
Isaaks.
Das Sukkot – Fest
Gleich nach dem Neujahrsfest feiern wir neun Tage lang Sukkot, das „Laubhüttenfest“.
Man dankt Gott für die Ernte des Jahres. Aber besonders erinnern wir uns
daran, dass die Israeliten mit Moses vierzig Jahre durch die Wüste wandern
mussten. Deshalb verbringen während dieser Woche viele Kinder mit ihren
Eltern eine gewisse Zeit in Laubhütten im Garten oder auf dem Balkon.
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Das Purim-Fest
Etwa in der Zeit, in der bei uns Fastnacht gefeiert wird, feiert man im Judentum
das Purim-Fest, bei dem man sich verkleiden darf.
Man erinnert sich an die Geschichte, die von einer Rettung der Juden in Persien
berichtet. Diese ist in der Bibel im Buch Ester aufgeschrieben.
Um den „bösen Haman“ zu vertreiben, der in der Geschichte eine
wichtige Rolle spielt, dürfen Kinder mit Ratschen und Rasseln viel Lärm
machen.
Das Pessach-Fest
Eines der wichtigsten Feste im Judentum ist das Passafest. Es wird in der Zeit
um Ostern gefeiert. Das Fest erinnert daran, dass Gott die Israeliten aus der
Sklaverei in Ägypten befreit hat. Am Abend vor Passa wird der Seder-Abend
gefeiert. „Seder“ heißt „Ordnung“. Den Namen hat
dieser Abend deswegen bekommen, weil er immer nach der gleichen Ordnung abläuft.
Das jüngste Kind darf fragen, was an diesem Abend so besonders ist. Dann
erzählt man sich die Geschichte von Moses und der Rettung der Israeliten.
Während des Passa-Festes darf man keine Speisen essen, die mit Sauerteig
gemacht wurden. Also wird nur ungesäuertes Brot gegessen. Dieses nennen
wir Mazzen. Schließlich trinken wir zusammen aus einem Becher Wein, manchmal
sogar wir Kinder.
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Das Schawuot-Fest
50 Tage nach Passa wird das Fest Shawuot gefeiert, aus dem euer Pfingstfest
entstanden ist. Die Tage zwischen Passa und Shawuot nennen Juden Omer-Zeit.
Am Fest Schawuot denken Juden daran, dass Moses für sein Volk die Zehn
Gebote erhalten hat. Weil schon die ersten Früchte geerntet werden, ist
das Fest auch ein Erntedankfest.
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Das Chanukka-Fest
Im Winter, kurz bevor ihr Weihnachten feiert, feiern wir Juden das Chanukka-Fest.
Zeichen für das Chanukka-Fest ist der neunarmige Leuchter. An dem Fest
werden acht Tage lang an einem Leuchter immer ein Licht mehr angezündet.
Der neunte Arm ist der „Diener“, an dem die anderen Kerzen angesteckt
werden. Die Lichter erinnern uns daran, dass Gott uns Menschen immer wieder
geholfen hat.
An Chanukka, im Winter, wenn es kalt ist, spielen wir gern im Haus das Dreidel-Spiel.
Dazu muss ein Dreidel, das ist so etwas wie eine Mischung aus Kreisel und Würfel,
gedreht werden. Man legt einen Einsatz auf den Tisch und wer Glück hat
und den richtigen Buchstaben erwischt, der darf den Einsatz behalten.
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Vom Essen
Beim Essen haben wir einige Gebote zu beachten. So darf ich nicht alles essen,
was bei euch auf den Tisch kommt. In der heiligen Schrift steht, dass alle Speisen
„koscher“, also „rein“ sein müssen. Unrein ist
für uns Schweinefleisch. Weil es eine alte Vorschrift gibt, darf auch nichts
„Milchiges“ und „Fleischiges“ zusammen gegessen werden.
Das heißt, kein Käse auf eine Salami-Pizza und kein Cheeseburger.
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Schalom
Schalom – wenn Ihr zur Begrüßung „Hallo“ sagt,
dann sagen wir Schalom. Schalom heißt Friede – Friede sei mit dir.
Muslime sagen zueinander Salam.
Das Wort hat dieselbe Bedeutung. Immer wieder gibt es zwischen Muslimen und
Juden im Land Abrahams Streit, obwohl er für beide als Stammvater gilt.
Doch viele Menschen sehnen sich nach Frieden.
Dies drückt folgendes Lied aus.
Hewenu Shalom Alechem – Wir wollen Frieden für alle
Quelle: Aschira, M.Zank/A.Brosch (hg.), 1985
Hinweise:
Die Religionspädagogischen Zentren bieten umfangreiches Material zum Thema
Judentum. Manche verfügen auch über besondere Kultgegenstände
oder gar über ganze Lernkisten und Koffer zu Teilthemen. Das RPZ Neustadt
bietet folgende Themenkisten:
- Lernkiste Jüdische Feste: Zu jedem Fest mindestens einen Gegenstand
- Lernkiste Synagoge: Mit einem Holzmodell einer Synagoge und Gegenständen,
die in ihr gebraucht werden
- Lernkoffer Schabbat
- Lernkoffer Pessach
- Lernkoffer Bar Mizwa
Weitere Informationen zum Judentum:
Arbeitskreis Kirche und Judentum
c/o Dr. Stefan Meißner
Im Schloßgarten 10
76872 Minfeld
Tel. 07275-5557
Fax und Voice-Recorder: 0721-151 460 193
E-Mail: stefanmeissner@gmx.net
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Quelle: Rundbrief 69 (I/2005) - Kindergottesdienst in der Pfalz
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Weiterführende Literatur
Die Menora mit Kindern entdecken.
Ein Arbeitsbuch für Kirche, Schule und Familie
Zu allen Reliefbildern werden Geschichten für Kinder erzählt. Dazu
gibt es vielfältige Anregungen zur kreativen Arbeit mit den Motiven des
Leuchters, zwei Gottesdienstentwürfe und mehrere Lieder. Zahlreiche Kopiervorlagen
mit den Strichzeichnungen der einzelnen Motive können für Gottesdienst,
Schule und Einzelarbeit genutzt werden. Mit einem beiliegenden vierteiligen
Poster kann ein großes Menorabild als Gemeinschaftsarbeit gestaltet werden.
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