Jüdische Trauerriten

von Helena Hörig

Da die jüdische Religion mehr auf das Diesseits konzentriert ist als alle anderen Religionen, gehört der Tod zum Leben, wie die Nacht zum Tag. Wer den Tod nahen sieht, bereitet sich auf ihn vor mit Gebeten, Bekenntnis zu den eigenen Sünden und man segnet die Kinder. Beim Eintreten des Todes sollen die Anwesenden zusammen mit dem Sterbenden den Glauben an die Einzigartigkeit Gottes bekennen (Hebr. "echad" - dt. "einzig" = letztes Wort des "Schma Israel" soll letztes Wort des Sterbenden sein). Ist der Tod eingetreten, soll der Tote zunächst nicht berührt werden. Der Leichnam wird auf die Erde gebettet und ein Licht angezündet. Der Tote wird gewaschen und in ein schlichtes, leinenes Totenhemd gekleidet. Dieses Totenhemd schenkt die Braut dem Bräutigam zur Hochzeit und er trägt es nur am Neujahrstag und am Versöhnungstag. Bei allen Verrichtungen im Zusammenhang von Tod und Beerdigung helfen Mitglieder der Heiligen Bruderschaft, der sogenannten Chewra Kaddischa. Bis zur Beerdigung wird der Tote nie allein gelassen, das wird als Mangel an Respekt angesehen, deshalb sitzt ein schomer (Wächter) neben dem Toten und sagt verschiedene Psalmen auf. Das Begräbnis findet traditionell noch am Todestag statt, außerhalb Israels wird jedoch meist eine Wartepflicht von 48 Stunden verlangt. Die Trauerfeier findet in einer Leichenhalle statt. Ein Rabbiner hält eine Trauerrede und dann spricht der Sohn des Toten bzw. der nächste Angehörige das Kaddisch, das Totengebet, in dem Gott gepriesen wird. Danach wird der Tote zum Grab begleitet. Ihn zum Grab zu begleiten, gilt als Mizwa, als religiöse Pflicht und gute Tat. Auf dem Friedhof reißen sich die Angehörigen zum Zeichen ihrer Trauer die Kleider ein, heute meist symbolisch durch das Abreißen eine Krawatte oder ein auf die Kleidung geheftetes Band.


Kleine Steine auf dem Grabstein sagen: Ich war hier. Ich habe dich besucht.
Der Brauch stammt aus der nomadischen Vorzeit Israels, als ein Steinhügel den Leichnam vor wilden Tieren schützte. Jeder, der einen Stein hinterließ, trug etwas zur Erhaltung des Grabes bei.

Die jüdische Religion lehnt die Totenverbrennung ab. Dies begründet man mit der biblischen Vorstellung, daß der Körper in seinem ursprünglichen Zustand zurückkehrt und zweitens gilt die Verbrennung als übereiltes, unnatürliches Mittel, um sich des Leichnams einer Person zu entledigen, die geliebtes Mitglied der Familie war. Wegen des biblischen Gebotes "Du sollst zu Erde werden" wurde früher die sterbliche Hülle nur mit Leichentüchern umwickelt. In Israel wird dieser Brauch heute noch angewandt, aber in den meisten westlichen Ländern fordern örtliche Vorschriften die Verwendung von Särgen. Meist verwendet man Särge aus weichem Holz, da sie rascher zerfallen, als Särge aus hartem Holz. Außerdem werden Löcher in den Sarg gebohrt, damit die Leiche schneller zerfällt . Bei vielen Juden gibt es den Wunsch in Jerusalem begraben zu sein, da es die Vorstellung gibt, dass die in Jerusalem Begrabenen bei der Ankunft des Messias zuerst auferstehen und die Erde aus dem Heiligen Land soll sündenerlassende Wirkung haben. Da es nicht möglich ist, alle Juden in Israel zu bestatten, legt man vielen Verstorbenen ein Säckchen mit Erde aus dem Heiligen Land unter den Kopf.

Bei einem jüdischen Begräbnis wird auf Blumenschmuck und prunkvolle Grabmäler verzichtet, denn es soll deutlich werden, dass im Tode alle gleich sind. Beim Verlassen des Friedhofes wäscht man sich die Hände, ohne sie abzutrocknen, um die Erinnerung an den Verstorbenen zu verlängern. Vom Friedhof fahren die Trauernden zum Haus des Verstorbenen, um dort "Schiwa" zu sitzen. "Schiwa" bedeutet sieben und bezeichnet die siebentägige Trauerperiode, die dem Begräbnis folgt. Trauernde sollen an diesen Tagen zu Hause bleiben und keine Arbeit verrichten. Man sitzt auf niedrigen Schemeln, trägt keine ledernen Schuhe und verzichtet auf Baden, Rasieren, Schminken, Haareschneiden und Geschlechtsverkehr. Selbst das Lesen in der Tora ist verboten, da es ein Quell der Freude ist. Es dürfen nur Klagetexte wie Hiob, die Klagelieder und Teile aus Jeremia gelesen werden. Nach dem Ende der "Schiwa" gehen die Trauenden um den Häuserblock einmal herum, um die Rückkehr in die Gesellschaft und in die Welt zu zeigen. Danach beginnt die 30tägige Trauerzeit Schloschim, die vom Zeitpunkt der Beerdigung an gezählt wird und in der gelockerte Trauervorschriften gelten. Handelt es bei dem Toten um Mutter oder Vater, verlängert man die 30 Trauertage zu einem Trauerjahr. Am Jahrestag des Todes oder des Begräbnisses begeht man die "Jahrzeit". An diesem Tag wird für gewöhnlich der Grabstein gesetzt.

Auf dem Grabstein sind meist nach dem Namen noch hebräische Buchstaben. Wenn Ain, He nach dem Namen steht, kommt es von "alaw ha-schalom" und bedeutet: "Friede über ihn". Außerdem gibt es noch Sain, Lamed, das kommt von "sichrona/sichrono li-wracha" und bedeutet: "Gesegnet sei die Erinnerung an sie/ihn" oder auf dem Grabstein steht sain, zadi, lamed und das kommt von "secher zadik liwracha" und das bedeutet: "Gesegnet sei die Erinnerung an diesen Gerechten". Der Friedhof hat als Ort des Gedenkens an die Toten einen besonderen Stellenwert. Als "Haus der Ewigkeit" kann er nicht aufgelöst werden, da die Grabesruhe auf ewig gesichert sein soll. Auf jüdischen Gräbern sieht man häufig Steinchen liegen, die bei jedem Besuch des Grabes abgelegt werden, um die Erinnerung an den Verstorbenen zu bewahren (Bild oben).

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