Eine kleine Auswahl klassischer Texte
Als Moses in den Himmel hinaufgestiegen
war, um die Tora zu empfangen, traf er Gott, wie er gerade da saß und
bestimmte Buchstaben kalligraphisch ausschmückte, indem er ihnen Krönchen
hinzufugte. Mose sagte: "Herr des Himmels, wer hält dich davon ab,
die Tora unverziert zu geben?" Gott antwortete: "Es gibt einen
bestimmten Mann, der viele Generationen später leben wird. Sein Name ist
Akiva ben Josef. In ferner Zukunft wird dieser Mann haufenweise jüdisches
Gesetz interpretieren aus genau diesen Häkchen und Schnörkeln." Mose
fragte: "Kannst du ihn mir zeigen?" Gott antwortete: "Dreh
dich um!" Mose fand sich in Rabbi Akivas Klassenzimmer wieder, wo
er hinging und sich in die hinterste Bankreihe setzte. Er verstand aber
nicht ein Wort, von dem, was sie da sagten und er wurde ganz benommen
von dem ganzen. Schließlich, als sie bei einem bestimmten Punkt der Diskussion
angekommen waren, und einer der Schüler fragte: "Meister, wo ist
der Schrifbeleg für all das?", da antwortete er ihnen: "Dieses
Gesetz wurde dem Moses am Sinai gegeben." Da fühlte sich Mose besser
und er kehrte um, um Gott zu fragen: "Du hast einen solchen Mann
und trotzdem hast du mich erwählt, um die Tora durch mich zu geben?"
Da antwortete Gott: "Schweig! So ist mein Plan" (bMen 29b).
„Ein Fremder kam zu Schamai und sprach:
‚Ich will zum Judentum übertreten, aber mit der Bedingung,
dass du mich die ganze Thora lehrst, während ich auf einem Bein stehe.‘
Da stieß Schamai ihn mit der Schaufel, die er in seiner Hand hielt,
weg. Als nächstes ging der Fremde zu Hillel, stellte ihm die gleiche
Bedingung und forderte den gleichen Weg, ihn zum Judentum überzutreten
zu lassen. Hillel akzeptierte seine Bedingungen und ließ ihn übertreten,
er sagte: ‚Was dir verhasst ist, tue deinem Nächsten nicht
an, das ist die ganze Thora. Und der Rest ist ihre Auslegung. Gehe und
lerne.‘" (bSchab, 31a)
"Es
geschah einmal, dass ein Nichtjude zu (dem Schriftgelehrten) Schammai
kam und zu ihm sprach: ’Wie viele Torot (Mehrzahl von "Tora")
habt ihr?’ Jener erwiderte: ’Zwei, eine schriftliche und eine
mündliche Tora.’ Er (der Nichtjude) entgegnete: ’Die geschriebene
glaube ich dir, aber die mündliche nehme ich dir nicht ab. Mache mich
zum Proselyten (d.h. Lass mich zum Judentum konvertieren) unter
der Bedingung, dass du mich nur die schriftliche Tora lehrst!’ Da
schrie ihn jener an und entfernte ihn mit einem Verweis. Er kam vor (den
Schriftgelehrten) Hillel, und der machte ihn tatsächlich zum Proselyten.
Am ersten Tag lehrte er ihn: ’Alef - Bet - Gimel - Dalet’
(d.h. die ersten vier Buchstaben des hebräischen Alphabets). Am folgenden
Tag aber lehrte er ihn in genau der umgekehrten Reihenfolge, worauf jener
ihn fragte: ’Aber gestern hast du es mir doch nicht so gelehrt!’
Er (Hillel) erwiderte: ’Hast du dich nicht da auf mich verlassen?
Darum verlasse dich auch jetzt auf mich, was die mündliche (Tora) anbelangt!’"
(bSchab 31a)
Auf drei Dingen steht
die Welt: auf der Tora, auf dem Gottesdienst, auf dem Liebeserweis (gegenüber
den Mitmenschen) [1,2]. Mache dein Torastudium zu einer fest bestimmten
Beschäftigung; rede wenig, tue viel; empfange jeden Menschen mit freundlichem
Angesicht! [I,15] Schön ist das Studium der Tora (verbunden) mit weltlicher
Beschäftigung. Denn das Bemühen um beide lässt die Sünde vergessen; und
jedes Torastudium, mit dem nicht (praktische) Arbeit verbunden ist, wird
schließlich zunichte und zieht Sünde nach sich [II,2]. Wenn du viel Tora
ausgeübt hast, dann rechne dir das nicht als Verdienst an, denn dazu wurdest
du ja erschaffen [II,8]. Es obliegt dir nicht, die Arbeit zu vollenden,
aber du bist auch nicht frei, dich ihrer zu entledigen. Hast du viel Tora
gelernt, gibt man (Gott) dir viel Lohn, und treu ist dein Arbeitgeber,
dass er dir den Lohn deines Tuns bezahlt. Doch wisse, dass die Belohnung
der Gerechten sich (erst) auf das zukünftige (Leben) bezieht [II,16].
Zwei, die zusammensitzen und ihre Unterhaltung sind nicht Worte der Tora:
siehe, das ist ein Sitz von Spöttern, denn es heißt (Ps 1,1): "...
und nicht sitzt, wo die Spötter sitzen" [1II,2]. Mache sie (die Worte
der Tora) nicht zu einer Krone, um dich mit ihnen groß zu tun [IV,S].
Jeder, der die Tora (aufrecht) hält trotz Armut, der wird sie schließlich
halten in Reichtum. Jeder aber, der die Tora vernachlässigt wegen des
Reichtums, der wird sie schließlich vernachlässigen aus Armut [IV,9]
(mAv).
Das Talionsrecht wird
oft mißverstanden als "typisch" alttestamentliches Rachedenken.
Die biblische Stelle 2. Mose 21,23f. lautet so:
"Entsteht ein dauernder Schaden, so sollst du geben
Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß,
Brandmal um Brandmal, Beule um Beule, Wunde um Wunde"
Im Talmud aber wird diese Stelle
nicht im Sinne von Rache, sondern von Wiedergutmachung ausgelegt:
Wer seinem Nächsten eine Verletzung zufügt, ist ihm hinsichtlich von fünf
Dingen (Ersatz) schuldig: Schadensersatz, Schmerzensgeld, Kurkosten, Versäumnisgeld
und Beschämungsgeld.... Rabbi Dostai ben Jehuda sagte: "Auge für
Auge: eine Geldentschädigung!" - (Gegenrede:) "Du sagst: Geldentschädigung.
Oder nicht doch vielleicht das wirkliche Auge?" - (Entgegnung Dostais:)
"Siehe, wenn das Auge des einen (des Verletzten) groß war und das
Auge des anderen (des Verletzers) klein ist, wie kann man dann das Schriftwort
aufrechterhalten ’Auge für Auge’?" ... "Für das Leben eines
Mörders darf man kein Lösegeld nehmen (vgl. 4. Mose 35,31), aber man darf
für nicht nachwachsende, vorstehende Gliedmaßen Lösegeld annehmen."
(b BK 83a/b)
Weiterführender Link
Göran
Larsson: "Auge für Auge" - Das Schadensgesetz
Der
Messias: Eine kleine Auswahl klassischer Texte
Bild: Stefan Meißner
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