Der Messias: Ankunft oder Wiederkunft?


Eine kleine Auswahl klassischer Texte

 

Vergil, 4. Ekloge: "Schon kehrt die göttliche Jungfrau zurück und die goldene Urzeit. Schon steigt vom Olymp ein neues Geschlecht zu uns nieder. Sei der Geburt des Knaben, mit dem jetzt das eiserne Weltjahr endlich sich schließt und das goldene rings sich erhebt auf dem Erdkreis - keusche Diana - geneigt!"

Inschrift aus dem kleinasiatischen Priene: "Da die Vorsehung, die alles in unserem Leben ordnet, Eifer und Ehrgeiz beweisend, das Beste für unser Leben bestimmte, sandte sie Augustus, den sie zum Heile der Menschen mit Würde erfüllte, und den Heiland für uns und unsere Nachkommen schickte, der den Kriegen ein Ende macht und alles in Ordnung bringt. Und da der Kaiser, auf Erden erschienen, die Hoffnung aller, die in ihren Hoffnungen vorausnahmen, übertraf: weil er nicht nur alle Wohltäter, die vor ihm waren, überragt, sondern auch der Nachwelt keine Hoffnung hinterlässt, ihn zu übertreffen. Es war aber der Geburtstag des Gottes für die Welt der Anfang aller Dinge, die um seinetwillen Evangelien sind."’


Josephus, Jüdische Altertümer 20,5,1: Noch während Fadus Prokurator von Judäa war, bewog, ein Betrüger namens Theudas eine ungeheure Menschenmenge, ihm unter Mitnahme ihrer gesamten Habe an den Jordan zu folgen. Er gab sich für einen Propheten aus und behauptete, er könne durch sein Machtwort die Fluten des Jordan teilen und seinem Gefolge einen bequemen Durchgang ermöglichen. Durch solche Spiegelfechtereien gelang es ihm, viele zu täuschen. Aber Fadus duldete nicht, dass ihr sinnloses Treiben Schaden anrichte, indem er eine Abteilung Reiter gegen sie ausschickte, die unversehens über sie herfiel, viele von ihnen tötete und andere gefangen nahm. Auch Theudas geriet in Gefangenschaft, worauf er enthauptet und sein Kopf nach Jerusalem gebracht wurde.


Apostelgeschichte 5,34-36: Nach einer Rede des Petrus vor dem Sanhedrin stand Gamaliel auf und sagte: Ihr Israelis, sehet euch bei diesen Leuten vor, was ihr tun wollt! Denn vor diesen Tagen trat Theudas auf, der sich für etwas Besonderes ausgab und dem eine Anzahl Männer, etwa 400, anhing. Der wurde erschlagen, und alle, die ihm folgten, wurden zersprengt und zunichte gemacht.


Flavius Josephus, Jüdische Altertümer XVIII,4-9: "Der Gaulaniter Judas aber, der aus der Stadt Gamla stammte, reizte zusammen mit dem Pharisäer Zaddok das Volk durch die Vorstellung zum Aufruhr, der Census ziehe nur Sklaverei nach sich. Und so forderten beide das Volk auf, seine Freiheit zu wahren. Am guten Erfolg könne es nicht fehlen, weil alle günstigen Umstände zusammenträfen. Und selbst wenn sie ihr Ziel nicht erreichten, werde ihre hochgemute Gesinnung ihnen ewigen Ruhm sichern. Die Gottheit aber werde nur dann bereit sein, mit ihnen zusammenwirken, wenn sie ihre Entschlüsse auch wacker zur Durchführung brächten, und dies umso mehr, je größer ihre Entschlüsse und je rüstiger ihre Ausführung sei. Durch diese Reden, die mit größtem Beifall aufgenommen wurden, erhielt das Unterfangen einen noch verwegeneren Charakter. Es gab kein Übel, von dem das Volk durch diese beiden Unruhestifter nicht in härtestem Ausmaß heimgesucht worden wäre. Ein Krieg folgte nach dem andern. Und es konnte nicht ausbleiben, dass dies beständige Gewalt und Niederlagen verursachte. Zu allem Übermaß kam noch hinzu, dass das Volk die wahren Freunde, die den Kummer hätten lindern können, verlor, da durch das ungeheure Räuberunwesen das ganze Land in Schrecken versetzt wurde und da so viele der edelsten Männer ermordet wurden: angeblich zum Schutze der Freiheit, in Wirklichkeit aber nur der Beute wegen. Es kam zu mehreren Revolutionen und zu öffentlichem Blutvergießen... Bürger brachten ihre Landsleute um, damit ja keiner von der feindlichen Partei übrig bleibe. Aber auch die fremden Söldner sanken dahin. Zuletzt entstand eine Hungersnot, während der jede Scheu vor böser Tat abgelegt wurde. Städte wurden erobert und zerstört, bis schließlich sogar der Tempel Gottes im Gefolge des Aufruhrs von des Feindes Flammen verzehrt wurde. Solches Unheil bereitete der Frevel jener an den althergebrachten Einrichtungen, welche die Urheber des angerichteten Unheils sind: Judas und Zaddok nämlich, die eine vierte Philosophie im Lande gestiftet hatten und sehr viele Anhänger zählten. Sie brachten das Staatswesen nicht nur zeitweilig in Unordnung. Darüber hinaus säten sie Unheil für die Zukunft durch Lehren, die bis dahin noch nie gehört worden waren. Alles Unheil fing damals an, Wurzeln zu treiben".


Flavius Josephus, Jüdischer Krieg II 17.8+9: "Unterdessen machte sich ein gewisser Menachem, ein Sohn jenes streitbaren Schriftgelehrten Judas aus Galiläa, der einst unter Quirinius den Judäern vorgeworfen hatte, dass sie außer dem Gott auch noch die Römer als Herren anerkennten, mit einigen seiner Vertrauten nach Massada auf, erbrach hier das Zeughaus des Königs Herodes, bewaffnete außer seinen Landsleuten auch fremde Räuber und kehrte mit dieser Rotte als seiner Leibwache wie ein König nach Jerusalem zurück, wo er sich an die Spitze der Empörer stellte und die Leitung der Belagerung (sc. des von den Königlichen und den Römern gehaltenen Tempelbezirkes) übernahm. (...) Die Zerstörung der Stützpunkte und der Tod des Hohepriesters Ananias trieb Menachem zu unsinniger Grausamkeit, und in dem Wahn, nun keinen Nebenbuhler in der Herrschaft mehr zu haben, wurde er ein unerträglicher Tyrann. Eleazars Anhänger erhoben sich gegen ihn, indem sie sich untereinander etwa folgendermaßen aussprachen: Nachdem man aus Sehnsucht nach Freiheit sich gegen die Römer aufgelehnt habe, dürfe man sie jetzt nicht an einen Landsmann verlieren und sich die Tyrannei eines Menschen gefallen lassen, der, auch wenn er keine Gewalttaten verübe, doch weit unter ihnen stehe. Wenn es aber notwendig würde, dass einer alle anführe, so komme diese Würde jedem anderen eher zu als Menachem. Sie kamen überein, ihn im Tempel anzugreifen, wohin er sich in prunkvollem Aufzug, angetan mit königlichem Gewand und gefolgt von den bewaffneten Fanatikern, begeben hatte, um seine Andacht zu vernichten." Menachem wurde nach einer blutigen Auseinandersetzung, an der sich auch das Volk beteiligte, „unter schlimmer Folterung ums Leben gebracht". Einer seiner Verwandten, Eleazar ben Jair, konnte sich retten und spielte später als Befehlshaber der Zeloten von Massada eine Rolle.


Die Psalmen Salomos: Du, Herr, hast David erkoren zum König über Israel, und du hast ihm geschworen über seinen Samen für alle Zeit, dass sein Königtum nicht aufhören solle vor dir. Aber wegen unserer Sünden erhoben sich Gottlose gegen uns, es fielen uns an und stießen uns aus Leute, denen du keine Verheißung gegeben. Sie raubten mit Gewalt und gaben nicht deinem herrlichen Na- men die Ehre. Prunkend setzten sie sich die Krone auf in ihrem Stolz, ver- wüsteten Davids Thron in prahlerischem Übermut. Du aber. Gott, warfst sie nieder und nahmst ihren Samen aus dem Land hinweg, indem ein Ausländer gegen sie auftrat, der nicht von unserem Geschlechte war ... Sieh darein, o Herr, und lass ihnen erstehen ihren König, den Sohn Davids, zu der Zeit, die du erkoren, Gott, dass er über deinen Knecht Israel regiere. Und gürte ihn mit Kraft, dass er ungerechte Herrscher zerschmettere. Jerusalem befreie von den Völkern, die es kläglich zertreten. Weise und gerecht treibe er die Sünder weg vom Erbe, zerschlage des Sünders Übermut wie Töpfergefäße. Mit eisernem Stabe zerschmettere er all ihr Wesen, vernichte die gottlosen Völker mit dem Worte seines Mundes, dass bei seinem Drohen die Völker vor ihm fliehen, und er die Sünder zurechtweise ob ihres Herzens Gedanken. Dann wird er ein heiliges Volk sammeln, das er mit Gerechtigkeit regiert. Er wird richten die Stämme des vom Herrn, seinem Gotte, geheiligten Volkes. Er lässt nicht zu, dass ferner Unrecht in ihrer Mitte weile, und niemand darf bei ihnen wohnen, der um Böses weiß. Denn er kennt sie, dass sie alle Söhne ihres Gottes sind. Er verteilt sie nach ihren Stämmen über das Land. Weder Beisasse noch Fremder darf künftig unter ihnen wohnen ... Er wird Jerusalem rein und heilig machen, wie es zu Anfang war, so dass Völker vom Ende der Erde kommen, seine Herrlichkeit zu sehen, und ihre erschöpften Söhne als Geschenk bringen, und um zu schauen des Herrn Herrlichkeit, mit der sie Gott verherr1icht hat. Er aber (herrscht als) gerechter König, von Gott unterwiesen, über sie, und in seinen Tagen geschieht kein Unrecht unter ihnen, weil sie alle heilig sind und ihr König der Messias des Herrn (CHRISTOS KYRIU) ist" (PsSal 17).


Aus der Gemeinderegel der Essener: Von der Sitzung, der Männer mit angesehenem Namen, (berufen) zur Vereinigung für den Rat der Gemeinschaft. wenn (Gott) de(n) Messias unter ihnen gez(eu)gt haben wird. (Der messianische Priester) trete an der Spitze der ganzen Gemeinde Israels ein, dann alle seine Brü(der, die Söhne) Aarons, die Priester, (berufen) zur Vereinigung, Männer mit angesehenem Namen; und sie sollen sich setzen v(or sein Angesicht, jeder) seiner Würde entsprechend. Und darauf tr(ete der Mess)ias aus Israel ein; und die Häupter der Tausendschaften Israels sollen sich v(or sein Angesicht setzen, jeder) seiner Würde entsprechend, nach (seiner Stellung) in ihren Lagern und während ihrer Reisen; dann alle Häupter der Fa(milien der Ge)meinde mit den Weisen (der heiligen Gemeinde), sie sollen vor ihnen setzen, jeder entsprechend seiner Würde. Und (wenn) sie zusammenkommen zum (Ti)sch der Gemeinschaft (oder um Neu-We)in (zu trinken) und sie den Tisch der Gemeinschaft richten (und) den Neu-Wein zum Trinken (mischen), (strecke niemand) seine Hand aus nach den Erstlingen des Brotes und (des Neu-Weines) vor dem Priester-, denn (er s)egne die Erstlinge des Brotes und des Neu-Wein(es und strecke) seine Hand über das Brot zuerst aus. (Und darauf se)gne die ganze Gemeinde der Gemeinschaft, je(der entsprechend) seiner Würde. Und dieser Ordnung gemäß sollen sie verfahre(n) bei jeder Mah(lzeit. wenn) wenigstens zehn Person(en) (zus)ammen kommen. (Zusatz zur Gemeinderegel 1 Q 28a, II 11-22; die Klammern zeigen Beschädigungen des Pergamentes an). 


Midrasch Echa r. 1,41: Die Schüler des Rabbi Josse ben Kisma fragten ihren Lehhrer: Wann wird der Sohn Davids kommen? `Der Meister antwortete: Ich will es euch nicht offenbaren, denn ihr werdet verlangen, dass ich euch ein Zeichen für die Richtigkeit meiner Worte gebe. Die Schüler sprachen: Wir wollen keinerlei Zeichen von dir haben. Da sagte der Lehrer: Wenn dieses Tor hier einstürzt und neu erbaut sein wird, wenn es abermals zerstört und aufgebaut sein wird und dann zum dritten Male verfallen wird, so wird, ehe das Tor wieder aufgerichtet ist, der Sohn Davids kommen. Hierauf sprachen die Schüler: Meister, gib uns ein Zeichen, dass deine Worte zutreffen. Der Lehrer erwiderte: Sagtet ihr nicht, dass ihr von mir keinerlei Zeichen fordert würdet? Die Schüler sprachen: Dennoch möchten wir eins haben. Der Sohn Kismas sagte: So möge das Wasser der Quelle Panias, der der Jordan entspringt, zu Blut werden. Und das Wasser der Quelle ward alsbald zu Blut. Als der Lehrer verscheiden sollte, sprach er zu seinen Jüngern: Vergrabt meinen Sarg tief in der Erde, denn es wird keinen Baum in Babel geben, an dem nicht eines Persers Ross angebunden sein wird, und es wird keinen Sarg im Lande Israel geben, der nicht für die Pferde der Meder als Krippe wird dienen müssen.


Babylonischer Talmud, Sanhedrin 98a: Rabbi Josua, der Sohn Levis, fand einst den Propheten Elia am Eingang zur Höhle des Rabbi Simeon ben Jochai. Josua fragte den Seher: Werde ich das künftige Leben erlangen? Elia antwortete: So es unserem Herrn gefallen wird. Der Sohn Levis sah zwei Männer vor sich; aber noch eines Dritten Stimme war zu hören. - Die Majestät Gottes weilte unter ihnen. - Ben Levi fragte den Propheten weiter: Wann wird der Messias kommen? Der Seher erwiderte: Du mußt ihn selbst darum befragen. Rabbi Josua sprach: Wo befindet er sich? Elia entgegnete: Er sitzt vor den Toren Roms. Josua fragte: Woran erkenne ich ihn? Der Prophet antwortete: Er ist unter den Armen, mit Schwären Behafteten. Alle Siechen außer ihm machen die Leinwand von ihren Wunden auf einmal ab und verbinden sie darauf frisch. Der Messias allein verbindet erst die eine Wunde, bevor er von der anderen den Streifen löst. Er spricht: Vielleicht werde ich gerufen; ich will mich nicht versäumen. Also zog Rabbi Josua nach dem Orte, wo der Messias weilte. Er trat vor ihn und sprach: Friede sei mit dir, mein Herr und Meister! Der Gesalbte erwiderte: Friede sei mit dir, du Sohn Levis. Josua fragte: Wann wird meines Herrn Ankunft erfolgen? Der Messias antwortete: Ich komme noch heute. Hierauf kehrte Rabbi Josua zu Elia zurück. Der Seher fragte ihn: Was hat der Gesalbte dir verkündet? Josua antwortete: Er sagte: Friede sei mit dir, du Sohn Levis. Elia sprach: Mit diesem Gruße hat er sowohl dir als deinem Vater das ewige Leben verheißen. Josua sprach weiter: Er sagte, er würde heute noch kommen, und er ist nicht gekommen. Darauf sprach der Prophet: Er meinte es so: Ich komme noch heute, wenn ihr auf die Stimme Gottes hört.


David Flusser (jüdischer Forscher): Als sich vor wenigen Jahren der jüdische Religionswissenschaftler David Flusser vom Lehrbetrieb an der Jerusalemer Universität zurückzog, gab es, wie es sich zu einem solchen Anlass geziemt, eine große Festveranstaltung. Nachdem viele hochrangige Wissenschaftler aus aller Welt den Emeritus mit ihren Redebeiträgen geehrt hatten, sollte nun auch er selbst zu Wort kommen. "Angenommen Sie würden die Ankunft des Messias noch erleben," so wollte jemand von ihm wissen. "Was wäre Ihre erste Frage an ihn?" Flusser überlegte kurz, dann gab er auf diese originelle Frage die gewiss nicht weniger originelle Antwort: "Sir, is this your first visit?"
(Dr. Stefan Meißner, nach einer mündlich überlieferten Anekdote).

 

Weiterführender Link
Die altttestamentliche Messiaserwartung
Die Tora: Eine kleine Auswahl klassischer Texte

 

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