Judenverfolgung im rheinischen Raum
zur Zeit des 1. Kreuzzuges (II)

von Holger Müller


Reste der Speyerer Synagoge

Zur selben Zeit zog ein kleiner rheinischer Edelmann, Graf Emicho von Leiningen, unter seinem Banner einen noch größeren und furchteregenderen Haufen von selbst ernannten Gottesstreitern zusammen, als selbst Gottfried von Bouillon oder Peter der Einsiedler, dessen Männer es doch auf immerhin 20.000 gebracht hatten. Der Graf hatte sich schon vorher durch andere Raubzüge und Ausschreitungen den Ruf eines skrupellosen Kriegsmannes erworben.
Er behauptete, Gott habe ihm höchstpersönlich ein Kreuz ins Fleisch eingebrannt. Anders als Peter der Einsiedler, dessen verlotterte Bande nicht die geringste militärische Erfahrung besaß, hatte der rheinische Graf Emicho überwiegend kampferprobte Männer um sich geschart. Mit ihnen fiel er am 3. Mai über die jüdische Gemeinde von Speyer her. An dem Überfall beteiligten sich auch viele Bürger aus der Stadt. Emichos Plan, die Synagoge während des Gottesdienstes zu umstellen, um die gesamte jüdische Bevölkerung von Speyer mit einem Handstreich niedermetzeln zu können, misslang jedoch. Die Juden waren rechtzeitig gewarnt worden. Sie hielten ihren Gottesdienst früher als üblich ab und dann begab sich die Mehrzahl von ihnen unter den Schutz von Bischof Johann, der seine Diözese mit eiserner Hand regierte und keinen Angriff auf seine Autorität duldete. Mit starker Truppenmacht führte er die Juden, die sich ihm anvertrauten, in seine Burg. Emichos Männer plünderten zusammen mit Scharen von Speyrer Bürgern indessen das jüdische Viertel und erschlugen elf Juden, die sie auf der Straße aufgegriffen hatten. Andere kamen nur deshalb mit dem Leben davon, weil sie sich auf der Stelle zwangstaufen ließen. Man stellte sie vor die Wahl: Tod oder Taufe. Eine junge Jüdin, die ihrem Glauben jedoch nicht abschwören wollte, beging kiddusch haschem, Freitod für die Heiligung des göttlichen Namens. Sie nahm sich selbst das Leben, um den Grausamkeiten der Kreuzritter zu entgehen.

Als Bischof Johann den größten Teil seiner jüdischen Bevölkerung in Sicherheit wusste, stellte er sich ohne Zögern der aufgesplitterten Streitmacht der plündernden Kreuzritter entgegen. Mit der Entschlossenheit des Bischofs und seiner Soldaten, die vor einer Schlacht nicht zurückschreckten, hatte Emichos Armee nicht gerechnet. Der Bischof zwang sie damit nicht nur aus seiner Stadt, sondern er brachte es sogar zuwege, einige der Mörder gefangen zu nehmen, und ließ ihnen auf der Stelle die Hände abhacken. Angesichts dieser kompromisslosen Haltung und der beachtlichen Streitmacht, die der Bischof von Speyer aufgeboten hatte, zogen Graf Emicho und seine Gefolgsleute es vor, von dieser Stadt abzulassen.

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Links
Bernhard Kukatzki: Das pfälzische Judentum: Von den Anfängen bis zum Mittelalter
Eberhard Dittus/ Johannes Bruno: Stationen durch das jüdische Speyer
Stefan Meißner: Die Synagoge in Speyer

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