Von der Niederlassungsfreiheit bis zur Ermordung
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Emil und Martha
Schwarz, 1937. Porträts im Reisepassantrag für Frankreich |
„Wir Wilhelm, König von Preußen, verordnen: Alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte werden hierdurch aufgehoben“, versprach das am 3. Juli 1869 verkündete und zunächst im Norddeutschen Bund geltende Gesetz. Als diese Bürgerrechte schließlich am 22. April 1871 auch in der bayerischen Pfalz Gesetzeskraft erlangten, packte der Jude Ferdinand Schwarz seine Habseligkeiten zusammen und verließ seine Heimatgemeinde Busenberg in Richtung der aufstrebenden Industriestadt Pirmasens. Seine neu gewonnene Niederlassungsfreiheit wollte er nutzen, um sein Glück in der Stadt suchen.
Ferdinand Schwarz, geboren 1846 in Busenberg
bei
Dahn,
heiratete am 27. Februar 1872 in Pirmasens Henriette Blum, die ebenfalls
1846 in Pirmasens geboren wurde. Das Ehepaar war mit Kinderreichtum gesegnet.
Henriette Schwarz brachte 10 Kinder in Pirmasens zur Welt. Die Familie
lebte bis 1897 in der Alleestraße 42 und danach in der Schäfergasse
8. Bereits im Kindesalter verstarben der 1874 geborene Karl Schwarz, der
1878 geborene Gustav und der 1881 geborene Ludwig. 1912 verstarb Tochter
Amalia im Alter von 32 Jahren. Stammvater Ferdinand Schwarz verstarb mit
68 Jahren 1914, seine Ehefrau Henriette überlebte ihn um 10 Jahre
und verstarb 1924. Die Eheleute Schwarz und ihre früh verstorbenen
Kinder sind in Pirmasens begraben. Ob sie zu ihren Lebzeiten Verfolgungen
und Antisemitismus ausgesetzt waren, ist nicht bekannt. Jedenfalls verstarben
sie eines natürlichen Todes und die Nazidiktatur ist ihnen erspart
geblieben.
Ganz anders erging es den 6 verbliebenen Kindern der Familie Schwarz
und ihren weiteren Angehörigen. Der älteste Sohn, der am 22.
Dezember 1872 in Pirmasens geborene Jakob Schwarz,
verließ als junger Erwachsener seine Heimatstadt Pirmasens und gründete
Anfang des 20. Jahrhunderts in Karlsruhe ein Schuhgeschäft. Dorthin
folgte ihm sein jüngerer Bruder, der am 19. November 1875 in Pirmasens
geborene Josef Schwarz. Zusammen betrieben die Brüder eine Schuhhandlung
in der Karlsruher Rheinstraße 48. Jakob und Josef Schwarz wurden
von den Nazis am 22. Oktober 1940 in das Konzentrationslager
Gurs in die Pyrenäen deportiert und einige Monate später
in das Lager Recebedou bei Perpignan verlegt. Während der inzwischen
67-jährige Josef Schwarz in das Lager Noe` bei Toulouse in Südfrankreich
verlegt und von dort 1943 in das noch freie Frankreich entlassen wurde,
war der ältere Bruder weiter den Nazis ausgeliefert. Er muss von
Gurs
aus noch einmal ins Reichsgebiet nach Frankfurt am Main zurück gekehrt
sein. Jedenfalls wurde der 70-jährige Jakob Schwarz am 15. September
1942 von Frankfurt aus in das Ghetto Theresienstadt verschleppt, wo er
am 9. Februar 1943 umkam. Josef Schwarz überlebte den Krieg und verblieb
in Frankreich, wo er 1951 mit 76 Jahren verstorben ist.
Emil Schwarz, geboren am 7. Oktober 1882
in Pirmasens, war ein erfolgreicher Pferdehändler,
der es zu einem beachtlichen Wohlstand gebracht hatte. Er heiratete 1907
die in Landau
geborene Sydonia, geborene Rauh, und zog zusammen mit ihr nach Karlsruhe,
wo bereits seine beiden älteren Brüder lebten. Mit Sydonia hatte
Emil Schwarz zwei Kinder, Rudolf und Else. Anfang der 20er Jahre ließ
sich Emil Schwarz jedoch von seiner ersten Frau Sydonia scheiden und kehrte
in die Pfalz zurück, wo er in
Dahn
im Jahr 1921 ein zweites Mal heiratete. Emil Schwarz` zweite Ehefrau war
Martha, geborene Levy, aus Dahn. Zwischen
1921 und 1925 müssen Martha und Emil Schwarz erneut in Pirmasens
gelebt haben, denn dort kommt am 12. April 1925 ihr erster gemeinsamer
Sohn Hans zur Welt. Zusammen mit seiner Frau Martha und dem kleinen Hans
zog Emil Schwarz schließlich erneut nach Karlsruhe-Durlach und war
weiter als Pferdehändler erfolgreich. Dort werden auch die zwei weiteren
Söhne Rolf und Bernhard geboren. Bis 1933 lebte die Familie mit ihren
drei Kindern in einem herrschaftlichen Wohnsitz mit eigenem Dienstpersonal.
Nach der Machtergreifung der Nazis ging es rapide abwärts mit dem
jüdischen Pferdegeschäft. Kunden blieben aus, gegen den jüdischen
Pferdehändler wurde gehetzt und seine wirtschaftliche Existenz ruiniert.
Es folgten sozialer Abstieg, Verfolgung und ein ständiger Wohnungswechsel.
1937 gab der so drangsalierte und verbitterte Emil Schwarz seine Unternehmung
auf und beantragte einen Ausreisepass nach Frankreich, wo er zunächst
in Straßbourg Unterschlupf fand. Es folgten kurze Zeit später
Ehefrau Martha mit den drei Kindern. Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen
muss Familie Emil Schwarz weiter ins Landesinnere von Frankreich geflüchtet
sein. Dazu fehlen allerdings die historischen Nachweise.
1942 wird die Familie von den Nazis in Frankreich aufgespürt und auseinander gerissen. Martha Schwarz und die drei Kinder im Alter von 5, 14 und 17 Jahren werden vom Sammellager Drancy am 31. August 1942 direkt in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und sofort vergast. Emil Schwarz erleidet einige Monate später am 6. März 1943 das gleiche Schicksal und wird von Drancy in das Todeslager Majdanek überführt, um wie seine Familie den qualvollen Gastod zu sterben.
Karolina Schwarz, genannt Lina, geboren
am 2. Mai 1885 in Pirmasens, blieb unverheiratet und wohnte bis 1939 in
der Winzlerstraße 6 in Pirmasens. Wohl im Zuge der Evakuierung der
sogenannten „Roten Zone“ am 1. September 1939 hat sie Pirmasens
verlassen und ist ab 4. September 1939 in Halle an der Saale gemeldet.
Am 30 Mai 1942 wird Lina Schwarz zusammen mit rund 1000 weiteren Jüdinnen
und Juden für den „Transport nach Osten“ erfasst und
am 01. Juni 1942 ab Bahnhof Kassel in das Transitghetto Izbica nach Südpolen
deportiert. Am 3. Juni 1942 wird Lina Schwarz im nahegelegen Vernichtungslager
Sobibor vergast.
Über das Schicksal der beiden jüngsten Töchter der Familie
Schwarz aus Pirmasens, der am 22. April 1887 geborenen Leonie und der
am 16. März 1891 geborenen Helena Schwarz,
liegen nur wenig Erkenntnisse vor. Helena Schwarz muss Ende der 30er Jahre
in Frankreich, vermutlich in Straßbourg, gelebt haben, denn Emil
Schwarz gibt 1937 in seiner Begründung für den Ausreisepass
den Besuch bei seiner Schwester Helena in Frankreich an. Wie wir wissen,
führte Schwester Leonie Schwarz zusammen
mit ihrem Mann Jakob Liebenstein ein Schuhgeschäft in Garmisch-Partenkirchen,
das dann durch die Nazis arisiert wurde. Später gelang ihnen zusammen
mit ihren Kindern die Flucht in die USA.
Der Autor. Frank Eschrich, ist Mitglied AK Geschichte der Juden in Pirmasens
Quellen: Bundesgesetzblatt 1869, Yad Vashem, Jerusalem, Gedenkbuch Bundesarchiv
Koblenz, Gedenkbuch Halle, Gedenkbuch Karlsruhe, Wikipedia, Stadtarchiv
Pirmasens
Fotos: http://my.informedia.de/gedenkbuch
Links zur Geschichte der Juden in Pirmasens
Olga,
David und Beate Rubin: Ihr Wert war für die Nazis eine goldene Uhr,
von Frank Eschrich
Die
Vernichtung der Familie Kusel aus Pirmasens, von Frank Eschrich
Hier
weitere Informationen über Leonie Liebenstein (geb.Schwarz)
Externe Links
Gedenkbuch
für die Karsruher Juden: http://my.informedia.de/ (ausführliche
Biografie des Emil Schwarz, erarbeitet von Schülerinnen des Humboldt-Gymnasiums)
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