Gottes Handeln in der Geschichte

Plädoyer für eine neue Geschichtstheologie

von Stefan Meißner

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Den zweiten Teil dieses Aufsatzes finden Sie hier...

 

Menschenmengen nach dem Fall der Berliner Mauer Ende 1989

Es gibt Momente, da glaubt man, den „Mantel der Geschichte“(1) rauschen zu hören. Mir ging es so, als ich 1989 live am Fernsehen miterleben durfte, wie die Berliner Mauer fiel. Nicht nur für mich, sondern für viele Christen in Deutschland war das damals nicht einfach ein profanes Ereignis, sondern – sagen wir es fromm: eine Fügung Gottes. Überall in der nun wiedervereinten Republik wurden Dankgottesdienste gefeiert. Das Ende des „real existierenden Sozialismus“ schien ein Beleg dafür zu sein, dass der Zeit von Diktatoren und Menschenschindern eine Grenze gesetzt ist.(2) Prägende Erinnerungen an historische Momente, die Menschen mit ihrem Glauben in Verbindungen bringen, gibt es offenbar nicht nur im Bewusstsein Einzelner, sondern auch in der Geschichte ganzer Völker. Solche Erinnerungen werden nicht selten dann Teil eines Narratives, der später für die Gemeinschaft identitätsstiftend wird. Die Bibel ist voll von solchen Erinnerungen.

Aber kann man Gott wirklich in der Geschichte erfahren? Sind Ereignisse wie die oben beschriebenen nicht ganz profaner Natur, auch wenn sie emotional hoch besetzt sind? Sind sie nicht vielmehr das Ergebnis innerweltlicher Einflussgrößen wie militärischer Macht oder Diplomatie, die mit Gott und Religion nicht das Geringste zu tun haben? Schlimmer noch: Verklärt man nicht durch eine solche theologische Aufladung vorletzte Dinge wie Ideologien, Parteien oder Staaten zu Götzen?

Aufgebrochen ist diese Frage für mich persönlich im Zusammenhang der jüngeren jüdischen Geschichte, die durch die Gründung des Staates Israel in eine neue Epoche eingetreten ist. Ist die Entstehung dieses „Schutzgehäuses“ (M. Stöhr) für Jüdinnen und Juden nach Jahrhunderten der Verfolgung und Entrechtung eine Art „Fingerzeig“ oder ein „Zeichen der Treue Gottes“? Gibt es also innerhalb der allgemeinen Vorsehung Gottes mit der Welt und den Menschen so etwas wie einen speziellen Heilsplan für und mit dem jüdischen Volk? Als ich in verschiedenen Publikationen Erwägung wie diese vorsichtig bejahte,(3) ist dem teilweise heftig widersprochen worden. Wichtigstes Argument dieses Widerspruchs waren die schlechten Erfahrungen, die wir Deutschen in der Vergangenheit mit geschichtstheologischen Experimenten gemacht haben. Man dürfe historische Fakten nicht ideologisch überhöhen.

Eines ist klar: Wir sind tatsächlich gebrannte Kinder. Aus guten Gründen üben wir in dieser Hinsicht Zurückhaltung, die Fehler unserer Vorfahren wollen wir nicht wiederholen. Doch auch das andere sollten wir wissen: Der Preis dieser geschichtstheologischen Abstinenz ist hoch. Das Welthandeln Gottes scheint nirgends mehr zu verorten zu sein. Gott droht so – im präzisen Sinne des Wortes - zur „Utopie“, er droht heimatlos zu werden. Sind wir zu weit gegangen? Haben wir das Kind mit dem Bade ausgeschüttet? Abusus non tollit usum! Deshalb plädiere ich für eine Neubesinnung, für eine kritische, problembewusste Reformulierung der christlichen Lehre vom Handeln Gottes in der Geschichte.(4)

Dazu will ich im ersten Teil dieses Aufsatzes anhand einer kleinen Typologie geschichts-theologischer Ansätze deren „Risiken und Nebenwirkungen“ herausarbeiten. Im zweiten Teil sollen anhand bibeltheologischer Überlegungen Kriterien entwickelt werden, die mithelfen, Momente „gefüllter Zeit“ im Lauf der Geschichte zu identifizieren. Ein letzter, systematisch-theologisch ausgerichteter Teil soll darlegen, warum ein Neuansatz im geschichtstheologischen Denken trotz aller Bedenken aus meiner Sicht ein notwendiges und lohnendes Unterfangen sein kann, und worauf bei diesem besonders zu achten wäre.

 


1. Gott in der Geschichte denken (I): Ein riskantes Unternehmen
(Geschichtstypologische Überlegungen)

1.1 Das evolutive Paradigma

Einer der einflussreichsten modernen Philosophen, die Gott positiv mit der Geschichte in Beziehung setzten, war G.F.W. Hegel. Er hielt es für erwiesen, „dass in den Begebenheiten der Völker ein letzter Zweck das Herrschende, dass Vernunft in der Weltgeschichte ist, - nicht die Vernunft eines besonderen Subjekts, sondern die göttliche, absolute Vernunft“.(5) Ihre Evidenz bezieht diese Wahrheit aus der Weltgeschichte selbst, die für ihn „das Bild und die Tat der Vernunft“ ist.(6) Schon die Stoa kannte einen göttlichen Logos, der gleichermaßen Natur und Geschichte durchdringt. Anders aber als dort, anders auch als später in der mittelalterlichen Theologie mit ihrem Bild von einem unwandelbaren Gott, nimmt die göttliche Vernunft bei Hegel in sich ändernden Zeiten und Situationen unterschiedliche Gestalt an. Sie entfaltet sich erst im Laufe der Geschichte und kommt so schließlich sukzessive zu sich selbst. Geschichte ist für Hegel eine Höherentwicklung, die sich dialektisch in Stufen (These, Antithese, Synthese), wenn auch ohne dramatische Brüche vollzieht.

Hegel prägte nicht nur große Teile der Philosophie des 19. Jahrhunderts, sondern auch die zeitgenössische liberale Theologie. Dieses Paradigma mit seinem unerschütterlichen Vernunft-Optimismus wurde für eine ganze Generation von Pfarrern und Kirchenlehrern zum Gemeingut. Ein weithin verbürgerlichtes Christentum meinte aus bequemer Warte zuschauen zu können, wie der göttliche Logos ohne eigenes Zutun, ohne die Bereitschaft zur Nachfolge, in der Geschichte Gestalt gewinnt. Spätestens mit den menschlichen Katastrophen des 20. Jahrhunderts verlor der ausgeprägte Vernunftoptimismus dieses Ansatzes allerdings seine Plausibilität. Namentlich die Millionen von Toten der beiden Weltkriege, die nicht zuletzt die christlichen Nationen Europas und Amerikas zu verantworten hatten, stellten dieses Denken in Frage.

In der Philosophie war die idealistische Geschichtsschau bereits vom Historismus seines metaphysischen Überbaues entkleidet worden. Es gebe keine Höherentwicklung in der Geschichte, sondern jede Epoche stehe gleich unmittelbar zu Gott.(7) Auch Friedrich Nietzsche spottete über Hegels Anmaßung, dass für ihn „der Höhepunkt und der Endpunkt des Weltprozesses in seiner eigenen Berliner Existenz zusammenfielen. Ja, er hätte sagen müssen, dass alle nach ihm kommenden Dinge nur als eine musikalische Coda des weltgeschichtlichen Rondos, noch eigentlich als überflüssig zu schätzen seien.“(8) Nietzsche legte hier seinen Finger in eine offene Wunde des Hegel´schen Denkens: Es sieht alle bisherigen Epochen der Weltgeschichte als bloße Durchgangsstadien, das eigene Zeitalter aber wird als Kulminationspunkt der göttlichen Selbstentfaltung verklärt. Damit nimmt Hegel die Perspektive Gottes ein, der selbst außerhalb des Stromes der Zeit steht. Hegels Geschichtsphilosophie wird hier selbst ungeschichtlich. Wie Nietzsche und der Historismus so betonte auch das existenzialistische Denken eines Søren Kirkegaard mehr das Kontingente, das nicht Berechenbare im Gang der Geschichte als deren Zielgerichtetheit.

Die Kritik des Hegelschen Ansatzes von Seiten der Theologie verbindet sich vor allem mit dem Namen des Schweizer Systematikers Karl Barth. Bei seinem Widerspruch gegen alle „Bindestrich-Theologien“, die versuchten zwischen Gott und der Welt eine Brücke zu schlagen, ging es Barth darum, das Geheimnis Gottes gegenüber allen menschlichen Bemächtigungsversuchen zu wahren. Barth betonte, Gott sei „der ganz andere“, dessen Wege wir Menschen nicht kennen, über den wir schon gar nicht beliebig verfügen können. Jeder Versuch, Gott für eigene Ideologien und Interessen zu instrumentalisieren, ihn damit zu „nostrifizieren“, müsse als ein Verstoß gegen das Erste Gebot verstanden werden.(9)


1.2 Das revolutionäre Paradigm

Im Unterschied zur evolutiven Variante rechnet diese Form von Geschichtstheologie durchaus mit Brüchen in der Geschichte. Das Neue setzt sich nicht sukzessive und diskret durch, sondern in Form revolutionärer Umwälzungen. Eine außerordentlich wirkmächtige säkulare Variante einer solchen Geschichtsschau hatte der Hegelschüler Karl Marx entwickelt. In seinem Historischen Materialismus lebten neben den Einflüssen Hegels auch die messianischen Hoffnungen des Judentums, also genuin religiöse Ideen, fort. Das unweigerlich sich Bahn brechende Ziel von Geschichte war für ihn freilich nicht das kommende Reich Gottes, sondern die kommunistische Gesellschaft bzw. die Diktatur des Proletariats. Die Vision besteht hier nicht darin, dass ewige Ideen auf ihre Verwirklichung zustreben, sondern dass die „ökonomische Basis“, die Produktions- und Besitzverhältnisse also, einer vollständigen Neordnung unterzogen wird. Wenn das geleistet ist, - so Marxens Überzeugung - wird sich der „ideologische Überbau“ automatisch den neuen Gegebenheiten anpassen.

In der jüngeren Geschichte des Christentums fand dieses Paradigma immer wieder Anhänger, sei es im Religiösen Sozialismus (Chr. Blumhardt, L. Ragaz), einer Theologie der Revolution bzw. der Hoffnung (J. Moltmann, J.B. Metz) oder in den Befreiungstheologien der sog. Dritten Welt (L. Boff, G. Gutiérrez). Anders als bei Marx wurden die revolutionären Umbrüche hier mit dem Willen Gottes in Verbindung gebracht. Indem Unterdrückung und Ungleichheit in den politischen Strukturen überwunden werden, kommt die Welt dem Reich Gottes, das Jesus in seinem Wirken zeichenhaft vorweg genommen hat, ein kleines Stück näher. Hatte man im evolutiven Paradigma eher die innere Gesinnung angesprochen, widersprach man nun ausdrücklich der gängigen Verinnerlichung und Privatisierung des Heils. Anders als dort ist man hier nicht nur passiver Zuschauer. Wenn der revolutionäre Umschlag der Geschichte dem Willen Gottes entspricht, dann ist der Revolutionär nichts Geringeres als ein Sachwalter des lebendigen Gottes.

 

 

Feier des Luthertags durch die Deutschen Christen 1933 in Berlin

Kritik an diesem revolutionären Paradigma kam im Nachkriegsdeutschland vor allem von Seiten des (Neu-) Luthertums, das vor einer Vermischung von Religion und Politik warnte (W. Künneth,[10]H. Thielicke,[11] M. Honecker u.a.[12]). Neben einem bestimmten Verständnis von Luthers Zwei-Reiche-Lehre wirkte sich hier auch die Lehre vom Staat als einer Schöpfungsordnung Gottes aus, dem unbedingt Gehorsam zu leisten sei (Röm 13). Während die marxistisch inspirierten Ansätze eine Dynamik „nach vorne“ erkennen lassen, wirken die lutherisch geprägten Theologien eher statisch und an übergeschichtlichen Grundkonstanten interessiert.

Vor diesem Hintergrund ist es interessant zu beobachten, dass es Anfang der 30er-Jahre nicht zuletzt lutherische Theologen waren, die die Machtergreifung Hitlers als „nationale Revolution“ begrüßt hatten. Damals bediente man sich Parolen wie „Deutschtum und Protestantismus gehören zusammen“, die dezidiert geschichtstheologisch und alles andere als apolitisch waren. Das obrigkeitshörige Denken im deutschen Protestantismus hatte bereits eine lange Vorgeschichte im Deutschen Kaiserreich, wo Thron und Altar eine feste Koalition eingegangen waren. Hier setzte sich unheilvoll fort, was sich in Luthers landesherrlichem Kirchenregiment bereits angebahnt hatte. Lutheraner wie W. Stapel, P. Althaus und F. Gogarten sahen das Sittengesetz im Volkstum begründet, dem sie eine normative Bedeutung zuerkannten. Auch vor antisemitischen Schlussfolgerungen dieser Lehre schreckte man nicht zurück. Erst als der Nationalsozialismus immer mehr eine kirchenfeindliche Färbung annahm, distanzierten sich einige Lutheraner allmählich von dieser menschenverachtenden Ideologie.

Nicht nur gegen die Liberale Theologie des 19. Jahrhunderts, sondern auch gegen den theologischen Irrweg der „nationalen Revolution“ erhob Karl Barth lautstark seine Stimme. In seiner nur kurz nach der Machtergreifung Hitlers erschienenen Schrift „Theologische Existenz Heute!“ erteilte er jeder Gleichschaltung der Kirche durch den Staat eine Absage. Für den Schweizer ging es darum, „nach wie vor und als wäre nichts geschehen – vielleicht in leise erhöhtem Ton, aber ohne direkte Bezugnahme – Theologie und nur Theologie zu treiben“.(13) Durch dieses Insistieren auf die eigene Sache wirkte er in höchstem Maße politisch, auch wenn er sich selbst nie als politischer Theologe verstand.(14) Dass Barth immun gegen die ideologische Überhöhung von Volk und Vaterland war, lag daran, dass er seine Theologie ganz auf das Wort Gottes(15) gründete und andere Offenbarungsquellen daneben kategorisch ausschloss. Das zeigt sich auch in der ersten These der Barmer Theologischen Erklärung, wo der von der Schrift bezeugte Christus als alleiniger Maßstab kirchlicher Verkündigung herausgestellt wird. Es war also die Christozentrik von Barths Denken, die ihn davon abhielt, einem politischen Phänomen wie einem Staat Offenbarungsqualitäten zuzusprechen.

Barths Warnung vor jeder Form natürlicher Theologie öffnete nach dem Zweiten Weltkrieg vielen Menschen die Augen für die möglichen Gefahren einer Geschichtstheologie: Wie in seiner evolutiven Variante so wähnt man sich auch in der revolutionären Spielart im Besitz des göttlichen Heilsplanes. Politische Theologien, so war deutlich geworden, bergen immer auch die Gefahr eines Partikularismus, der die Überlegenheit der eigenen Klasse, der eigenen Rasse, des eigenen Volkes oder der eigenen Ideologie behauptet. Was oft fehlt oder zumindest zu kurz kommt, ist das Bewusstsein, dass Gottes Heil zu allen Menschen kommen will. Wenn man das eigene Handeln als Mithandeln mit dem Geschichtshandeln Gottes sieht, - das kritisiert etwa der Philosoph R. Spaemann – dann wäre in der Verfolgung der gottgewollten Ziele jedes Mittel erlaubt. „Der politisch engagierte Christ kann auf sein Koppelschloss schreiben: ‚Gott mit uns’. Denn seine Feinde sind die Feinde Gottes.“(16) Dieses Manko teilt das revolutionäre auch mit dem apokalyptischen Paradigma, dem wir uns nun zuwenden wollen.


1.3 Das apokalyptische Paradigma

Ein drittes Paradigma von Geschichtstheologie, das sich nicht nur im Christentum immer wieder manifestiert hat, ist das apokalyptische oder auch millenaristische Paradigma. Es ist vom revolutionären Paradigma nicht immer leicht zu unterscheiden, denn in beiden Modellen wartet man auf den einen großen Umschlag in der Geschichte, mit dem sich die Verhältnisse zum Guten wenden.

Das apokalyptische Paradigma von Geschichtstheologie kann in zwei Varianten auftreten: Die cäsaropapistsiche Spielart spricht in einer von den Betroffenen als alles entscheidend erlebten historischen Situation einem Führer oder einer Clique von Politikern eine quasi-religiöse Dignität zu. Für die theokratische Variante hingegen ist die ausgerufene Revolution keine primär politische, sondern zunächst eine religiöse. In einem Zustand spiritueller Überhitzung ruft man die große, lange erwartete Äonenwende aus, in der Gott, meist vertreten durch eine Kaste von Priestern oder Klerikern, in den Lauf der Geschichte eingreift.

Zu den typischen Merkmalen gerade der zuletzt beschriebenen Variante millenaristischer Bewegungen zählt ein ausgeprägter Erwählungsglaube. Einzelne oder kleine Gruppen religiöser Eiferer setzen sich an die Spitze einer Bewegung, die angesichts des nahe geglaubten Endes Gesellschaftsformen zu etablieren versuchen, die vermeintlich dem Willen Gottes entsprechen. Der dabei an den Tag tretende ethische Rigorismus wirkt sich zunächst ausgesprochen herrschaftskritisch aus. Die Machthaber der alten, gottlosen Ordnung werden von einer neuen „Priesterkaste“ vom Thron gefegt. Wenn diese dann freilich an der Macht ist, die erhoffte Geschichtswende aber auf sich warten lässt, versucht sie die gewonnene Macht mit allen Mitteln zu bewahren. Um das nun zwangsläufig ausbrechende Chaos einzudämmen, ist alles erlaubt, bis hin zur Entfernung und Ausrottung der „Gottlosen“. In diesem Stadium kann der ethische Rigorismus umschlagen in einen ausgesprochenen Antinomismus. Plötzlich sind Dinge erlaubt, die vorher undenkbar erschienen. Leicht verwechselt dann die neue Elite ihre eigenen Interessen mit dem Willen Gottes - und lästert damit den Namen dessen, dem zu dienen sie vorgibt.

 

Die Körbe am Turm von St. Lamberti in Münster, in denen die Leichen der 1536 hingerichteten Täufer zur Schau gestellt wurden

 

Dieses Muster kann man in vielen Endzeitbewegungen in der Geschichte wieder entdecken. Exemplarisch dafür könnte man den sog. „linken Flügel der Reformation“ nennen, der in den Bauernkriegen und später im Täuferreich zu Münster politische Gestalt annahm. Eine ähnliche Entwicklung nahm auch im 20. Jahrhundert die Islamische Revolution unter Führung des schiitischen Ayatollah Ruholla Khomeini. Die cäsaropapistische Variante apokalytischen Denkens wirkt sich im Unterschied zu den zuvor genannten Beispielen eher Macht konservierend aus. Unter dem Eindruck einer existentiellen äußeren Bedrohung, in der sich angeblich die „Wehen der Endzeit“ zeigen, versucht man die eigenen Reihen enger zu schließen. Eine solche ideologische Hochrüstung ließ sich etwa in Teilen der griechisch-orthodoxen Kirche während der Belagerung Konstantinopels durch die Araber (717/718) beobachten.(17) Manche führen auch den Nationalsozialismus als Beispiel für ein millenaristisches Denken an. Tatsächlich wurden hier Schlagworte wie „Endsieg“, „Endlösung“ oder „Tausendjähriges Reich“ bemüht, die auch dem letzten deutlich machen sollten, dass der Einsatz für das Vaterland mit heiligem Ernst geführt werden müsse und moralische Skrupel bei der Durchsetzung der hehren Ziele unangebracht seien.(18)

Was für das millenaristische Denken, sowohl in der theokratischen als auch in der cäsaropapistischen Variante, typisch zu sein scheint, ist der ausgeprägte Geschichtspessimismus: „Die hiesige Geschichte läuft ins Leere; es ist ein vollkommen böser Äon, der nur noch der Vernichtung anheim gegeben wird.“(19) Damit wird die Gegenwart entwertet. Eine pragmatische Suche nach rationalen Konflikt- und Problemlösungen wird erschwert, denn der geschichtstheologische Dualismus gerät fast immer auch zum ethischen Dualismus. Selbst wo völlig profane Dinge verhandelt werden, sieht man sich in einem Endkampf zwischen Gut und Böse verwickelt. Auf welche Seite man selbst gehört, steht von vornherein fest. Religiös begründete Revolutionen fordern aber nicht nur Opfer auf der anderen Seite, sie neigen auch dazu, ihre eigenen Kinder zu fressen, dann nämlich, wenn die Legitimitätsbasis der neuen Ordnung zu bröckeln beginnt. Dies geschieht meist innerhalb von wenigen Jahren, denn Theokratien – das liegt wohl in ihrer Natur - sind selten langlebig. Nach dem Erlahmen der Naherwartung verschwinden sie und bleiben Episoden.

Die Gefahren apokalyptischen Denkens liegen also auf der Hand. Es war erneut Martin Luther, der das millenaristische Fieber seiner Zeit abzukühlen versuchte, indem er darauf hinwies, dass das Ende noch aussteht. Wir sind noch nicht angekommen im Reich Gottes, deshalb stehen wir noch „unter dem Gesetz“, müssen uns noch unter die alten Ordnungen beugen, mit denen Gott seine Schöpfung erhalten will. Zu diesen gehört nicht zuletzt auch die Obrigkeit, die niemand in Frage stellen darf. Deshalb musste der Wittenberger Reformator auch den Befreiungskampf der Bauern letztlich verurteilen, wiewohl er Verständnis für deren sozialpolitische Forderungen hatte.

Diese Betonung des eschatologischen Vorbehalts teilt Luther mit dem Apostel Paulus. Dieser sah die Christen ebenfalls in dem Zwiespalt gefangen: Einerseits sind sie bereits „neue Schöpfung“, gerechtfertigt durch den Glauben. „Nach dem Fleisch“ aber sind sie noch immer „der alte Adam“, das heißt: der Sünde verfallen (Röm 7). Deshalb schärfte Paulus den Enthusiasten in Korinth, die das Noch-Nicht der Erlösung nicht wahrhaben wollten, immer wieder das Kreuz Christi ein. Um die in Christus gewonnene Freiheit nicht zu verspielen, muss der Christ nüchtern bleiben und geduldig auf die Wiederkunft des Herrn warten. Wiewohl selbst auch noch von einer unmittelbaren Naherwartung beseelt, teilte der Apostel nicht den Dualismus der Apokalyptiker. Seine Vision war die einer versöhnten, nicht einer gespaltenen Menschheit (Gal 3,28).

Die Verwirklichung des Reiches Gottes ist letztlich Gott selbst vorbehalten, auch wenn dieses mit dem Kommen Jesu schon angebrochen ist. Wollten wir es als Menschen herbeizwingen, womöglich gar mit Waffengewalt, würden wir unsere Rolle in der Heilsgeschichte maßlos überschätzen. In diese Richtung weist auch der sog. „Stürmerspruch“ Jesu, der vermutlich gegen zelotische Tendenzen seiner Zeit gerichtet war (Mt 11,12). Gegen jede apokalyptisch gefärbte Theologie gilt es festzuhalten: Das Reich Gottes kommt zwar nicht ohne uns, aber es ist eben nicht sittliche Pflicht oder Kulturaufgabe, sondern „ausschließlich Tat Gottes, ein Wunder“.(20) Dieses Eingreifen Gottes, auch das können wir aus den Evangelien lernen – ist ein ausgesprochen leiser und unauffälliger Vorgang, das von den Menschen leicht übersehen wird.(21)

Die zweite Generation der Christen hatte sich bereits mit der Frage einer sich dehnenden Zeit auseinander zu setzen. Die zunächst als unmittelbar bevorstehend geglaubte Parusie ließ immer noch auf sich warten, wenig bis nichts schien sich am Lauf der Welt geändert zu haben. Drohte die Generation vorher in übermäßigen Aktionismus zu verfallen, so machte sich jetzt stellenweise Resignation breit. Eine Lösung dieses Dilemmas bot eine präsentische Eschatologie, wie sie z.B. beim Evangelisten Johannes anzutreffen ist. Hier trat an die Stelle der unmittelbaren Naherwartung eine Art „Stetserwartung“, die sich wesentlich unaufgeregter präsentierte als das „Alles oder Nichts“ des Millenarismus. Obwohl in den späteren Jahrhunderten der Kirchengeschichte die futurische Eschatologie weithin bestimmend blieb, fand und findet diese Stetserwartung bis heute immer wieder Anhänger. Der katholische Dogmatiker O.H. Pesch etwa ist überzeugt: „Dieses Leben ist das ewige Leben – und nicht etwa eine strapaziöse Aufnahmeprüfung dafür, jenseits derer etwas ganz Neues kommt.“(22)


1.4. Tabellarische Zusammenfassung

 

 

2. Gottes Heilshandeln in der Bibel: Beiträge zu einer Kriteriologie
(Biblisch-theologische Überlegungen)

Die aufgezeigten Risiken geschichtstheologischen Denkens sind nicht zu unterschätzen. Dennoch wäre es m.E. heute an der Zeit, Gott in der Geschichte neu zu denken. Es bliebe ein Wagnis, aber nach meiner Einschätzung ein kalkulierbares Wagnis. Nur einer Theologie, die sich ihrer Irrwege und Sackgassen bewusst ist, kann es gelingen, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Doch wir wollen nicht nur bei negativen Aussagen stehen bleiben, sondern in den folgenden Überlegungen zumindest andeuten, wie eine solche neue Geschichtstheologie aussehen könnte.

 

2.1 Der eine kairos mit den zwei Brennpunkten

Spuren göttlichen Handelns in der Geschichte auszumachen, kann nur bedeuten, bestimmten Ereignissen nachzuspüren, in denen aufscheint, was Gott mit seiner Welt und den Menschen vorhat. Denn dass der Geschichte insgesamt Offenbarungscharakter zukommt, wie das evolutive Geschichtsdenken behauptet,(23) dürfte nach dem bereits Gesagten ausgeschlossen sein. Diese Inseln „erfüllter Zeit“ sind nur schwer zu identifizieren, realisiert sich Gottes Wille doch oft in gebrochener Form oder unter dem Deckmantel seines Gegenteils.(24) Deshalb sind Kriterien dafür erforderlich, wann man von einem solchen kairós sprechen darf und wann nicht. Wir müssen zu klären versuchen, was ihn vom Strom der gleichförmig dahinfließenden Menschenzeit (chrónos) abhebt. Als Grundlage für diese Kriteriendiskussion, als norma normans also, kommt für eine Theologie protestantischer Provenienz nur die Bibel in Frage. Sie selbst enthält eine Geschichtstheologie - genauer: Geschichtstheologien im Plural! -, zu denen wir nicht einfach zurückkehren können, die wir aber durchaus für unsere Zwecke befragen dürfen.

Höhepunkt der Heilsgeschichte, die „Mitte der Zeit“, stellt für uns Christen sicher die Offenbarung Gottes in Jesus Christus dar. Mit der Metapher der „Mitte“ verstehen wir mit P. Tillich „sowohl Kriterium wie Quelle der erlösenden Macht in der Geschichte.“(25) Dieses Heilsereignis, dieser eine große kairos, von dem her die anderen vielen kleinen kairoi erst ihre Bedeutung erhalten, besitzt wie eine Ellipse zwei Brennpunkte: Kreuz und Auferstehung. In der Frage Jesu am Kreuz „Mein Gott, mein Gott. Warum hast du mich verlassen?“ verdichtet sich einerseits die Erfahrung menschlichen Leidens und die daran aufbrechende Frage nach der Gerechtigkeit Gottes („Theodizee“). Andererseits ist aber gerade das Kreuz Jesu Voraussetzung und Quelle christlicher Hoffnung über den Tod hinaus: Die bange Frage am Karfreitag nach dem „Warum“ wird aufgehoben in der Osterbotschaft: „Er ist auferstanden.“ Furcht und Unverständnis der Jünger angesichts von Trauer und Tod weichen einer Gewissheit, die alles Fragen verstummen lässt. Sie glauben dem Engel und gehen nach Galiläa. Dort gelingt es ihnen, in einem Prozess gemeinsamer Trauerbewältigung dem gerade Erlebten retrospektiv(26) einen Sinn abzuringen.

 

2.2 Die vielen anderen kairoi in der biblischen Geschichte

Der eine große kairos der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus steht nun aber nicht isoliert da, sondern ist ein Punkt - nach christlicher Überzeugung: der Höhepunkt – innerhalb einer Kette von Selbsterweisen Gottes in der Geschichte. Auch wenn wir das Alte Testament vom Neuen Testament her beleuchten, ist es von großer Bedeutung, diesen ersten Bund nicht nur als vorbereitende Episode oder gar als Irrweg der Heilsgeschichte abzutun. Es findet sich vielmehr bereits im Alten Testament so etwas wie eine strukturelle Christologie – bloß eben (noch) ohne Christus. Hier liegt der tiefere Sinn auch der Logos-Christologie, die von einem überzeitlichen Sein des Christus spricht: Der schon am Anfang der „Schöpfungsmittler“ war, der wird es auch sein, der am Ende als Weltenrichter „zur Rechten Gottes“ sitzen wird. Mit dieser Theologie erhalten alle Epochen der Heilsgeschichte eine gleiche Unmittelbarkeit zu Gott, denn in jeder von ihnen manifestiert sich etwas vom Sinn der Geschichte. Diese Strukturanalogien können nicht verwundern, ist es doch derselbe Gott, der sich hier als Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs und dort als Vater Jesu Christi offenbart hat.

Ein wichtiger Brennpunkt der alttestamentlichen Geschichte ist die Befreiung Israels aus der Sklaverei in Ägypten. Auch hier bringt Gott, wie schon in der Passionsgeschichte - Licht in eine nach menschlichem Ermessen aussichtslose Situation. Gott erhört das Flehen seines Volkes und er beruft Mose dazu, sein Volk aus der Knechtschaft zu befreien. Dem Auszug (exodos) folgt nach einer Periode des rastlosen Umherirrens in der Wüste ein Einzug (eisodos): die Landgabe. Gott gibt seinem Volk eine „Ruhe(stätte)“, wo es frei von Unterdrückung nach seinem Willen leben kann. Dabei handelt es sich bei Auszug und Einzug um ein und dieselbe Bewegung, um zwei Seiten einer Medaille.

Ein zweites großes Thema im Alten Testament, die Verbannung der Juden ins Babylonische Exil und ihre Heimkehr ins Land der Verheißung, weist die gleiche bipolare Struktur auf wie die beiden bereits behandelten Themenkomplexe: Das Volk Gottes ist (nicht ohne eigenes Verschulden) unter die Räder der Geschichte geraten, aber Gott zeigt sich auch hier als der Barmherzige und holt es in einem „zweiten Exodus“ heim ins Land seiner Väter. Auch wenn die Verhältnisse nicht so glänzend gewesen sein mögen, wie sei die Bibel stellenweise ausgemalt hat, der Neuanfang wird von den Betroffenen dennoch als heilvoll erlebt.

Wie es eine Vorbereitung des einen großen kairos gibt, so auch eine Aufnahme desselben in der nachfolgenden Geschichte. In der Geschichte der Kirche und des jüdischen Volkes gibt es bis heute viele kleine, relative kairoi, in denen sich das Reich Gottes in seinem spezifischen Durchbruch manifestiert.(27) Die Bibel weiß auch nichts davon, dass diese Selbsterweise Gottes irgendwann einmal aufhören sollten. Ereignisse erfüllter Zeit gibt es, so lange es Geschichte gibt. Wäre es anders, wäre die Rede vom Heiligen Geist, den Gott den Christen nach dem Weggang Jesu als Tröster geschickt hat, eine leere Worthülse. Die Gemeinschaft der Heiligen“ mag in der viele Geschichte Irrwege gegangen sein, aber sie ist nicht allein - auch heute nicht.

 

2.3. Gemeinsame Strukturmerkmale

Schon nach Durchgang dieser wenigen Ereignisse, bei denen nach dem Zeugnis der Bibel Gott in den Gang der Geschichte „eingegriffen“ hat, lässt sich eine Reihe von gemeinsamen Strukturmerkmalen erkennen:

Erstens wurde deutlich, dass Gott sich grundsätzlich im Medium der Geschichte offenbart. Das gilt für das Alte wie für das Neue Testament gleichermaßen, es gilt zeitlich sogar über die Bibel hinaus.

Dabei geht es nicht um Historie im Sinne reiner Tatsachen (bruta facta), sondern immer um gedeutete Geschichte. (28)

Fast immer lässt sich so etwas wie eine „somatische Dimension“ ausmachen: Indem sich das Heil in bestimmten Orten und Personen konkretisiert, entzieht es sich der Spiritualisierung.

Es geht immer um ein Handeln Gottes, in dessen Zentrum sein ersterwähltes Volk Israel steht (partikularer Aspekt).

Dieses Heilshandeln Gottes in und an Israel ist aber immer offen für andere Völker
(universaler Aspekt).

Als heilsam wird dieses Handeln Gottes manchmal erst aus dem Rückblick erkannt.

Das Heilshandeln Gottes besitzt oft eine bipolare Struktur: Er schafft Freiheit aus Gefangenschaft, Leben aus dem Tod.

Überblickt man diese Liste von Strukturmerkmalen, so hat man damit so etwas wie Minimalkriterien vor sich, die erfüllt sein müssen, um auch in unserer Zeit historische Ereignisse als Zeichen Gottes zu interpretieren. Diese mit Hilfe der Heiligen Schrift gewonnenen Eckpunkte sollen nun mit Hilfe systematisch-theologischer Überlegungen angereichert werden. Das Ziel dieser Überlegungen ist es, geschichtstheologisches Denken nicht nur als ein Wagnis, sondern als vielmehr als ein lohnendes, heute vielleicht wieder notwendiges Unternehmen herauszustellen.(29)

 


3. Gott in der Geschichte denken (II): Ein notwendiges Unternehmen
(systematisch-theologische Überlegungen)

3.1 Die Selbstüberschätzung des Menschen korrigieren: realistisch und nüchtern

Wie schöpfungstheologisch die „Entzauberung der Welt“, die Negierung von allem Göttlichen in der Natur, zu einem hemmungslosen Raubbau führte, so droht die Verdrängung Gottes aus der Geschichte heute zu einer Selbstvergottung des Menschen zu führen: Der homo faber, der selbstgefällige Macher, der „Übermensch“ (Nietzsche), stellt sich nun selbst an die Stelle Gottes. Er versteigt sich dazu, der Geschichte selbst Sinn und Ziel einzuhauchen, nachdem er die göttliche Vorsehung demontiert hat. Was zu Beginn der Moderne als Auszug aus dem Gefängnis der selbstverschuldeten Unmündigkeit so hoffungsvoll begann, ist heute einer hemmungslosen Selbstüberschätzung des Menschen gewichen. Der Mensch ist an seine Grenzen gestoßen, weil er mit der neuen Rolle als „Herr der Geschichte“ offensichtlich überfordert ist. Durch die Entfernung Gottes aus der Geschichte ist das Erste Gebot vielleicht viel schlimmer mit Füßen getreten worden als durch jedes geschichtstheologische Denken.


3.2 Drohenden Weltverlust abwehren: dem Diesseits zugewandt

Es ist sicher eine wichtige Lehre der europäischen Geschichte gewesen, Religion und Politik zu trennen, das Geschichtshandeln Gottes von seinem Welthandeln zu unterscheiden. Nach dem Ausbluten des Kontinents im Zeitalter der Konfessionskriege war es durchaus angebracht, dem weltlichen Regiment eine gewisse Autonomie einzuräumen. Doch zeigen sich im lutherischen Denken, insbesondere in seiner Zuordnung von Gesetz und Evangelium und seiner Zwei-Reiche-Lehre auch problematische Tendenzen: Ein Denken in diesen Bahnen kann leicht zu einer Entkoppelung von geistlichem und weltlichem Regiment führen. Wenn der Raum des Politischen zu einem rein „weltlichen Ding“ herabgewürdigt wird, dann ist seine Gestaltung folglich theologisch irrelevant. Damit aber droht der Glaube seinen Bezug zur diesseitigen Welt zu verlieren. Wer Gott aber aus Politik und Geschichte vertreibt, der überlässt die Welt ihrer Eigengesetzlichkeit. Die Befürchtung R. Bernhardts ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, im lutherischen Denken könnten die Werke Gottes der ‚linken Hand‘ entsoteriologisiert und die Werke der ‚rechten Hand‘ auf die Gläubigen begrenzt werden.

D. Bonhoeffer setzte dem blutleeren, verbürgerlichten Protestantismus seiner Zeit eine Nachfolge-Ethik entgegen, die zur weltgestaltenden Kraft des frühen Christentums zurückfinden wollte. Dass er sich einer Widerstandsgruppe anschloss, die ein Attentat auf den Führer vorbereitete, zeigt, wie weit Weltverantwortung im Extremfall gehen kann. Auch K. Barth insistierte darauf, dass die uns zuteil gewordene Rechtfertigung Konsequenzen für die Gestaltung von weltlichem Recht haben müsse.(30) Weil „Christengemeinde und Bürgergemeinde“(31) beide unter der Herrschaft Christi stehen, dürfe der Christ seine Stimme auch zu politischen Fragen erheben. Dass gerade der frühe Barth, trotz der Weltzugewandtheit seiner Theologie, dennoch zurückhaltend gegenüber Versuchen war, Gottes Handeln in der Geschichte zu identifizieren, liegt eher daran, dass er an der Erkennbarkeit dieses Handelns zweifelt. Die Problematik einer Geschichtstheologie besteht also aus seiner Warte eher in noetischer als in ontisch-faktischer Hinsicht. Erstgenanntes Problem gilt es deshalb nun etwas näher zu beleuchten.

3.3. Der staurologischen Grundfigur folgen: zuweilen paradox

Wer ein Handeln Gottes in der Geschichte postuliert, darf nicht den Fehler begehen, den Prozess der Geschichte insgesamt als „unmittelbares Resultat göttlicher Wirksamkeit“(32) hinzustellen. Der Sinn des Weltprozesses – das macht seine Erkennbarkeit so schwer - verwirklicht sich fragmentarisch, in unvollständiger, gebrochener Gestalt. Manchmal manifestiert sich Gottes Heilswillen sogar sub specie contraria – oder wie R. Bernhardt sich ausdrückt - „im Widerstand gegen die in der Welt herrschenden Paradigmen.“(33) Diese Offenbarung entgegen dem Augenschein rührt vom Grunddatum christlichen Glaubens her: dem Heilshandeln Gottes am Kreuz. Deshalb muss jede Behauptung einer Vorsehung Gottes, jedenfalls aus christlicher Sicht, einer „staurologischen Grundstruktur“ folgen. Gottes Handeln in der Geschichte ist nicht unbedingt jedem gleich offensichtlich, sondern hat oft ein überraschendes Moment, das manchmal nur Außenstehenden erkennbar ist. Während die engsten Anhänger Jesu noch unter dem Kreuz seinen Tod betrauern und nicht verstehen, wie dieses Unglück passieren konnte, bekennt ein namenloser römischer Hauptmann, eine Heide also: „Wahrlich dieser ist Gottes Sohn gewesen!“ (Mt 27,54). Strukturanalogien zur Kreuzestheologie gibt es übrigens in beiden Testamenten der Bibel: Nicht nur die Menschwerdung Gottes besitzt dieses überraschende Moment, sondern auch die Erwählung des jüdischen Volkes. Keine der antiken Großmächte hat sich Gott hier in Dienst gestellt, sondern ein kleines, unbedeutendes Volk. Erwählung geschieht nicht aufgrund besonderer Verdienste, sondern aus reiner Liebe Gottes.(34) Sein Licht erstrahlt in der Dunkelheit der Geschichte.

3.4. Den eschatologischen Vorbehalt bedenken: prinzipiell revisionsoffen

Es gibt keinen „archimedischen Punkt“ außerhalb der Geschichte, von dem aus man einen Blick auf das Ganze hätte. Das Ganze zeigt sich erst von seinem Ende, vom Reich Gottes her. Der Sinn der Geschichte muss also – hier folgen wir erneut R. Bernhardt - „als ein eschatologisch ausstehender immer wieder situationsspezifisch eingeklagt werden.“(35) Das bringt mit sich, dass theologische Aussagen über Gottes Handeln in der Geschichte „nur als prinzipiell revisionsoffene Feststellungen getroffen werden“ dürfen.(36) Man wird mit Widerspruch von Menschen rechnen müssen, die sich ganz andere Geschichten (stories) über die gleiche Geschichte (history) erzählen. Geschichte ist wie alle vorläufigen Phänomene ambivalent, sie muss erst gedeutet werden. Über die „Zeichen der Zeit“ kann Streit entstehen, sie sind alles andere als selbstevident. Das liegt daran, dass das Gewahrwerden eines kairos, in dem das Reich Gottes sich schon „jetzt und hier“ partiell manifestiert, stets in Form einer „Vision“ geschieht. Es ist, wie P. Tillich, ganz zutreffend sagt, „kein Gegenstand der Analyse und Berechnung“.(37) Trotzdem wagt der Glaube, „das Ereignis, von dem er abhängig ist, zum Kriterium aller Offenbarungsereignisse zu erheben“ - auch auf die Gefahr des Irrtums hin.(38) Diese Revisionsoffenheit ist freilich, wie Bernhard selbst ganz richtig feststellt, bei allen theologischen Urteilen zugrunde zu legen.(39) Etwas Vorletztes mit dem einen Letzten in Verbindung zu bringen, ist immer ein Wagnis, eine Arbeitshypothese, oder theologisch gefüllter ausgedrückt: ist ein Bekenntnisakt.


3.5 Zu und über Gott reden: doxologisch und konfessorisch

Ein verantwortbares Reden über Gottes Geschichtshandeln muss immer auch seine Sprache reflektieren. Apodiktische Feststellungen und starre dogmatische Formulierungen sind hier fehl am Platz. Wer über den Sinn der Geschichte spricht, meint R. Bernhard, der wird ihn deshalb „zum einen im Modus (…) der Dankbarkeit für die Gestaltwerdung der befreienden Liebe Gottes, zum anderen aber auch als Klage, prophetischer Protest und tätiges Engagement gegen das abgrundtief Sinnlose äußern“.(40) Dank und Klage, das sind beides Grundformen des Redens zu Gott. Wenn sich der Christ ihrer bedient, bringt er seine eigene Person mit ins Spiel, gibt zu erkennen, dass er Teil der story ist, die er erzählt. Solches Reden zu Gott ist kein theologisches Räsonieren, kein Reden über Gott, sondern ein existenzieller Akt. Es ist wohl dieses subjektive Moment, das Bernhardt herausheben wollte. Geschichtstheologisches Reden, das wird hier deutlich, ist nicht ohne weiteres verallgemeinerbar und trotzdem - so würde ich den Ansatz Bernhardts ergänzen wollen - strebt es über das rein Subjektive hinaus, will andere Subjekte von einer Wahrheit überzeugen, die man intersubjektiv nennen könnte. Die Theologie hat zwar einen „doxologischen Rand“ (D. Ritschl),(41) d.h. eine Grenze, wo alles Reden über Gott zur Verherrlichung Gottes, zum Gebet hindrängt. Sie geht aber nicht auf in der Doxologie. Dass Menschen etwas begegnet, woran sie ihr Leben ausrichten, was ihnen Sinn und Orientierung gibt, dessen vergegenwärtigen sie sich nicht allein im Modus des Dankens, Klagens oder Protestierens, sondern ebenso im Modus des Bekennens. Das Bekennen aber ist nun durchaus kein rein subjektiver Vorgang, sondern er will Menschen gleichen Glaubens auf einen Weg mit nehmen. Es ist auch nach evangelischem Verständnis durchaus ein normativ gemeintes Reden über Gott, zwar keine norma normans,(42) aber doch eine norma normata.


3.6 Geschichte aus dem Rückblick deuten: retrospektiv

Visionäre und Utopisten maßten sich immer wieder an, den notwendigen, weil gottgewollten Gang der Geschichte im Voraus zu kennen. Das im apokalyptischen Schrifttum geläufige Wörtchen dei suggeriert ein Wissen, das man aus geheimer Offenbarung bezieht und das dem Rest der Menschheit noch nicht erschlossen ist. Doch Gottes Gerichte sind unbegreiflich, seine Wege unerforschlich (Röm 11,33). Der Sinn der Geschichte liegt nicht einfach auf der Hand, sondern erschließt sich oft erst aus dem Rückblick. Auch R. Bernhard hält es – trotz aller Zurückhaltung gegenüber einem teleologischen Geschichtsdenken - für zulässig, „retrospektiv Ereignisse, Prozesse und Zustände heraus[zu]heben, die in besonderer Weise als Gestaltwerdungen des von Gott eschatologisch ‚Vorgesehenen‘ verstanden werden dürfen“.(43) Für die ersten Christen erschloss sich der Sinn des Kreuzes erst aus dem Rückblick im Sinne eines göttlichen Heilsplanes als „notwendig“. Auch Paulus staunt über Gottes Weisheit (Röm 11,33), als er feststellt, dass (in paradoxer Umkehr des erwarteten Gangs der Ereignisse!) zuerst die Heiden und nicht seine jüdischen Geschwister das Evangelium angenommen haben. Sein Exkurs über die Juden im Römerbrief (Röm 9-11) endet mit einer fast demütig klingenden Doxologie, die alles andere als ein neunmalkluges Vorauswissen über die Wege Gottes ist.

3.7 Zu sittlichem Ernst motivieren: inspirierend

G. Baudler ist sicher kein Freund geschichtstheologischer Spekulationen. Da der Geschichtsverlauf, wie er sagt, „nicht einer geradlinigen Bewegung entspricht, sondern eher einem (…) nichtlinearen ‚chaotischen Driften‘, ist es für ihn nicht möglich, eine eschatologische Vision in politisch-gesellschaftliche Wirklichkeit ‚umzusetzen‘. Dies zu versuchen wäre, wie er sagt, ein ‚theologischer Turmbau‘.“(44) Dennoch sieht auch Baudler die „inspirierende Kraft“, die von einem solchen Denken ausgeht.(45) Wer in der Geschichte, an der er Teil hat, einen tieferen Sinn erkennt, der wird sich in der Welt ganz anders engagieren als jemand, der sich nur als Spielball profaner Mächte sieht. In der Tat kann es ein Ansporn sein, mit dem Voranschreiten der göttlichen Vernunft in der Welt Schritt zu halten, seinen kleinen Beitrag zu dieser universalen Umwälzung zu leisten. Wer an ein baldiges Ende der Welt glaubt, an ein jüngstes Gericht, wo er sich verantworten muss, der wird sich ins Zeug legen, die ethischen Standards hoch zu halten - wenigstens für das kurz geglaubte Interim bis zum Kommen des Erlösers. Man mag diese extrinsische Motivation als billigen Heilsegoismus verachten, und doch wird man zugeben müssen, dass endzeitliches Denken in der Geschichte nicht nur Chaos, Gesetzlosigkeit oder Defätismus hervor gebracht hat,(46) sondern eben auch das Gegenteil davon: oft ganz erstaunliche Anstrengungen, mit dem Willen Gottes endlich ernst zu machen. Revolutionäre Bewegungen haben Krieg und Verderben über die Menschheit gebracht, sie haben aber eben auch ein humanistisches Ethos zu verbreiten geholfen, in dem – manchmal in säkularisierter Gestalt - christliche Normen und Werte bis heute weiter leben.

3.8 Sinn und Hoffnung stiften: tröstlich

In der zyklischen Geschichtsschau fernöstlicher Religionen gibt es bekanntlich wenig Neues unter der Sonne. Alles ist die stetige Wiederkehr des bereits Bekannten, „die geschichtliche Existenz [ist] ohne Sinn in sich selbst“.(47) Erlösung bedeutet, sich über die Geschichte zu erheben, ja von ihr Abschied zu nehmen. Ähnliches ließe sich auch von der mystischen Weltsicht des Spinozismus oder des Neuplatonismus, aber auch von der tragischen Geschichtsauffassung des Griechentums sagen. Anders das teleologische Geschichtsbild der Bibel, das davon ausgeht, dass alles auf ein Ziel zuläuft. Die Überzeugung, dass das von Gott gewollte Gute siegt, kann einerseits zu Fatalismus führen. Wenn man sich zu sehr darauf verlässt, dass dieses Gute notwendigerweise, quasi automatisch, auch ohne unser Zutun kommt, dann kann sich das lähmend auf die Motivation der Gläubigen auswirken. Es gibt aber auch Menschen, für die ein solches Wissen ein wertvoller Trost ist: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Apk 21,4). Das Ende dieser Geschichte ist für die Armen, Schwachen und Unterdrückten der Welt sicher nichts Furchteinflößendes. Im Gegenteil: Es ist Grund zu der Hoffnung, dass es eine Wiederherstellung der Gerechtigkeit geben wird - wenn nicht hier, dann in einer neuen Welt. Vor einem Ende dieser Welt haben nur die Reichen und Mächtigen Angst. Diese kleinen Leute haben wenig zu verlieren. Schaut man in die Geschichte apokalyptischer Bewegungen, fällt ins Auge, dass sie tatsächlich oft von verfolgten und unterdrückten Minderheiten getragen waren: Die zwischen den Diadochenreichen zerriebenen Hasidäer, die das Danielbuch hervorbrachten und später möglicherweise die Qumranleute beeinflusst haben, aber auch Teile der Jesusbewegung, die unter dem Eindruck von Verfolgung und Perspektivlosigkeit ihre Hoffnung auf die baldige Parusie Christi setzte: sie alle kämpften mit dem Mut der Verzweiflung gegen die Sinnlosigkeit der Geschichte an. Ihr Glaube an einen guten Ausgang hielt sie dabei aufrecht. Mir ist bewusst, dass der dualistische Grundzug apokalyptischen Denkens zu einer Gefahr werden kann, wenn er von Großreichen oder Mehrheitsreligionen zur Stabilisierung der eigenen Macht missbraucht wird.(48) Wenn man aber mit dem Rücken zur Wand steht, kann es immens tröstlich sein, zu wissen, dass bald alles vorbei ist.


4. Rück- und Ausblick

Lassen sich Spuren göttlichen Handeln in der Geschichte ausmachen? Das gottesdienstliche Handeln unserer Kirchen scheint diese Frage wie selbstverständlich zu bejahen. Immer wieder wird um Frieden in der Welt gebetet, es wird für Gottes Beistand in schweren Zeiten gedankt. Beides setzt doch implizit voraus, dass Gott in der Geschichte handelt, dass er der Herr der Geschichte nicht nur in biblischen Zeiten einmal war, sondern immer noch ist. Doch ist dieses Handeln Gottes für Menschen auch erkennbar, lassen sich die Spuren göttlichen Handelns auch lesen? Die Mehrzahl der akademischen Theologen zeigt sich in dieser Frage eher zurückhaltend – und das, wie wir gesehen haben, nicht ohne Grund (Teil 1). Doch trotz der damit verbunden Gefahren halte ich diese Erwägung im Blick auf die Bibel nicht nur für theologisch erlaubt (Teil 2), sondern auch in systematisch-theologischer Hinsicht für ein lohnendes, wenn nicht sogar notwendiges Unterfangen (Teil 3).

Eine Geschichtstheologie, so können wir nun zusammenfassend sagen - die der staurologischen Grundfigur biblischen Denkens folgt (3.3) und dabei den eschatologischen Vorbehalt ernst nimmt (3.4), könnte dem drohenden Weltverlust des christlichen Glaubens entgegen wirken (3.2) und die zuweilen hybride Selbstüberschätzung des Menschen korrigieren helfen (3.1). Eine solche Theologie, sofern sie ihre Sprache kritisch reflektiert (3.5.) und den Sinn von Geschichte nicht nur postuliert, sondern kriteriengeleitet rekonstruiert (3.6), könnte für die Welt von heute zugleich inspirierend (3.7) und tröstlich (3.8) sein.

Was diese allgemeinen Überlegungen für eine theologische Einschätzung des Staates Israel austragen, wäre nun eine interessante Frage. Ist er ein Staat wie jeder andere - oder doch vielleicht mehr? Dieser Problematik weiter nachzugehen, ist hier freilich nicht der Ort. Es wäre schon viel gewonnen, wenn es mir gelungen wäre, auf ein Grundproblem unserer Theologie aufmerksam zu machen: dass wir Gott heimatlos machen, wenn wir sein Handeln in der Geschichte grundsätzlich in Frage stellen. An anderer Stelle werde ich versuchen, die oben gewonnen allgemeinen Kriterien auf den Spezialfall Israel anzuwenden.(49) Dass er von Jüdinnen und Juden - aber nicht nur von ihnen - als ein Moment erfüllter Zeit wahrgenommen wurde (und bis heute wird), steht außer Frage. Eindrücklich hat Amos Oz in seiner Autobiografie die alles entscheidende Nacht geschildert,(50) die über das Schicksal Israels entschied: Als im Radio das Abstimmungsergebnis der Vereinten Nationen verkündet wurde, waren in Jerusalem alle Juden auf der Straße, keiner schlief. Der israelische Schriftsteller berichtet vom lang anhaltenden Jubelschrei seines sonst so zurückhaltenden Vaters, von dessen Freudentränen und den Worten: „Schau dir das sehr gut an, mein Sohn, (...) denn diese Nacht, Kind, wirst du bis an dein Lebensende nicht vergessen.“(51) Auf den Straßen skandierten die aufgewühlten Massen: „Das Volk Israel lebt“.(52) Zwei finnischen Missionarinnen, die während der Belagerung Jerusalems in der Stadt geblieben waren, erschien die Gründung des Staates Israel als „Fingerzeig Gottes“.(53) Eine Schwester deutete die epochalen Ereignisse im Licht der biblischen Überlieferung: „Das ist wie die Erscheinung des Regenbogens im Gewölk nach der Sintflut“, und die andere pflichtete ihr bei: „Und der Herr bedachte sie wegen des Unheils - und es soll nicht geschehen sprach der Herr.“(54)

Dieser Artikel ist als erster Teil eines größeren Aufsatzes „Israel – ein Staat wie jeder andere“ erschienen in: „Begegnungen. Zeitschrift für Kirche und Judentum“ Ausgabe Nr.1/2014, S. 22-37

Fußnoten

(1) Vgl. Thomas Stamm-Kuhlmann: Der Mantel der Geschichte: Zur Karriere eines unmöglichen Zitats, in: Geschichtsbilder, Th. Stamm-Kuhlmann u.a. (Hg.), Festschrift für Michael Salewski zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2003, S. 212-222.
(2) Ein Beispiel geschichtstheologischer Deutung der deutschen Wiedervereinigung findet sich etwa in der Predigt von Kollege S. Strauß: „Wiedervereinigung Gott danken für Einheit und Frieden“, in: http://www.swp.de/muensingen/lokales/muensingen/Gott-danken-fuer-Einheit-und-Frieden;art5701,2237138
(3) Bemerkungen zur Orientierungshilfe der EKD ‚Gelobtes Land?’. Der schwierige Spagat der Kirchen im Nahostkonflikt, DtPfrbl 6/2013, S. 346-348; Vom „Nationalgott Jahwe“ und anderen Mythen. Die Israelvergessenheit 2.0 der neueren protestantischen Theologie. Eine Antwort auf Jochen Vollmer: Vom Nationalgott Jahwe zum Herrn der Welt und aller Völker, DtPfrbl 8/2011, S. 404-409; Das sogenannte „Kairos-Dokument“ der Christen in Palästina. Versuch einer differenzierten Würdigung, Ökumenische Rundschau 2/2010, S.275-282.
(4) Natürlich gibt es bereits zahlreiche Publikationen zu diesem Thema, auch solche, die an der Notwendigkeit geschichtstheologischen Denkens festhalten. Neben zahlreichen jüdischen Autoren, die ich an anderer Stelle zu Wort kommen lassen möchte, ist es v.a. der Basler Systematiker R. Bernhardt, dem ich wertvolle Anregungen verdanke: Was heißt „Handeln Gottes“?: Eine Rekonstruktion der Lehre von der Vorsehung, Münster 2008. Lesenswert auch der frühere Heidelberger Philosophieprofessor K. Löwith: Sämtliche Schriften, Klaus Stichweh u.a.(Hg.), Bd. 2: Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Zur Kritik der Geschichtsphilosophie, Stuttgart 1983.
(5) G.W.F. Hegel: Der allgemeine Begriff der philosophischen Weltgeschichte; zit. nach Rossmann, dtv-Ausgabe 1969, S. 235.
(6) Ebd.
(7) Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Historismus_%28Geschichtswissenschaft%29.
(8) Zit. nach F. Bollow: Zwei Auffassungen von Geschichtsphilosophie: Benedetto Croce und Friedrich Nietzsche, München 2007, S. 23.
(9) Die Position des „frühen“ Barth findet sich v.a. in dem nach dem Ersten Weltkrieg erschienen Klassiker: Der Römerbrief. 1. Aufl. 1919, zugespitzt in der 2. Aufl. 1922.
(10) Politik zwischen Dämon und Gott, Eine christliche Ethik des Politischen, Berlin 1954.
(11) Theologische Ethik, Bd. 2, Teil 2: Ethik des Politischen, Tübingen 1958 (4. Aufl. 1987).
(12) Grundriss der Sozialethik, Berlin 1995, S. 48ff.
(12) Theologische Existenz heute!, München 1984, S. 26.
(14) So ganz zutreffend G. van Norden: Der deutsche Protestantismus. Zwischen Patriotismus und Bekenntnis, in: Kirchen in der Diktatur, G. Hexdemann/L. Kettenacker (Hg.), S. 95.
(15) Zu Barths Lehre vom Wort Gottes in seiner dreifachen Gestalt vgl. KD I,1.
(16) Zur Kritik der politischen Utopie: zehn Kapitel politischer Philosophie, Stuttgart 1977, S. 66.
(17) A. Berger: Das apokalyptische Konstantinopel, in: Endzeiten: Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen, W. Irandes u.a. (Hg.), S. 135-156; W. Brandes: Die Belagerung Konstantinopels 717/718 als apokalyptisches Ereignis: Zu einer Interpolation im griechischen Text der Pseudo-Methodios-Apokalypse; in: K. Belke u.a. (Hg.), FS für Johannes Koder zum 65. Geburtstag, Wien 2007, S. 65-91.
(18) Vgl. dazu etwa M. Rißmann: Hitlers Gott. Vorsehungsglaube und Sendungsbewusstsein des deutschen Diktators, Zürich 2001.
(19) J. Rahner: Einführung in die christliche Eschatologie, Freiburg/Bg. 2010, S. 34
(20) M. Honecker: Grundriss der Sozialethik, Berlin 1995, S. 34f.
(21) Vgl. dazu z.B. das Senfkorngleichnis, Mk 4,30-32par.
(22) O.H. Pesch, Katholische Dogmatik. Aus ökumenischer Erfahrung, Bd. 2: Die Geschichte Gottes mit den Menschen. Ekklesiologie – Sakramentenlehre – Eschatologie. Ostfildern 2010, S. 994.
(23) Vgl. 1.1.
(24) Vgl. 3.3.
(25) Systematische Theologie, Bd. 3, Frankfurt, 4. Aufl. 1984, S. 415.
(26) Vgl. 3.6.
(27) P. Tillich: a.a.O., S. 421.
(28) Übrigens sieht auch heutige Geschichtsforschung ihre Aufgabe mehr im Konstruieren als im Aufdecken von Vergangenheit: „Eine Quelle, die nicht interpretiert (..) wird, bleibt stumm.“ (https://www.ph-freiburg.de/hochschule/zentrale-einrichtungen/zwh/abteilungen/hochschuldidaktik/lehrpreis/ preistraegerinnen/20112012.html).
(29) Ich beziehe mich in den folgenden Ausführungen stark auf R. Bernhardt: Was heißt „Handeln Gottes“?, a.a.O., dem ich wichtige Impulse verdanke.
(30) Rechtfertigung und Recht (1938); in: Eine Schweizer Stimme. 1945, Neuaufl. Zürich 1998.
(31) Erstmals erschienen 1946, Neuauflage, zusammen mit o.g. Schrift: Zürich 1998.
(32) R. Bernhard, a.a.O., S. 407.
(33) Ebd.
(34) Vgl. Dtn 7,7f.
(35) R. Bernhard, a.a.O., S. 407.
(36) A.a.O., S. 408; Hervorhebung Meißner.
(37) A.a.O., S. 421.
(38) A.a.O., S. 415.
(39) A.a.O., S. 408.
(40) Ebd. Vgl. auch G. Taxacher, der die Aufgabe geschichtstheologischen Deutens (in Blick auf die Shoah!) darin sieht, „das Nichtverstehbare [zu] benennen“ und „gedanklich vor Gott zu bringen“ (Nicht endende Endzeit, Gütersloh 1998, S. 22 und 24.
(41) Vgl. D. Ritschl: Die Logik der Theologie, München 2. Aufl. 1988, S.337.
(42) Vgl. dazu Teil 2.
(43) A.a.O., S. 407.
(44) G. Baudler: Ursünde Gewalt, Düsseldorf 2001, S. 269.
(45) Ebd.
(46) Vgl. 1.3
(47) P. Tillich, a.a.O., S. 401.
(48) Vgl. 1.3.
(49) Diese Überlegungen in Blick auf Israel werden in der Zeitschrift „Begegnungen“ (http://begegnung-christen-juden.org/) in einer der nächsten Ausgaben im Druck erscheinen. Online werden sie nachzulesen sein unter: www.christen-und-juden.de/html/geschichte.htm.
(50) Die Rede ist vom 29. November 1947, einer Samstagnacht, an dem die Vereinten Nationen den Teilungsplan für Palästina (Resolution 181 [II]) annahmen.
(51) Eine Geschichte von Liebe und Finsternis, Frankfurt/M. 2006, S. 566.
(52) S. 562.
(53) Vgl. zu dieser Wendung Teil 5.2.7 in der nächsten Ausgabe.
(54) A.a.O., S. 595f.

 

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Bild 2: Stefan Meißner, 2012 (privat)

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