Die Geschichte Israels

von Stefan Meißner


7. Der Auszug aus Ägypten

7.1 Das Geschichtsbild des Buches Exodus

7.2 Einleitungsfragen

7.3 Geschichte des Exodus

7.4 Die Gestalt des Mose

7.5 Moses und der Jahweglaube

7.6. Der Weg Israels durch die Wüste


NASA-Luftaufnahme von Ägypten

Arbeitshinweis
Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Wüste“ hören? Welche Bilder gehen ihnen dabei durch den Kopf? Bevor Sie sich mit dem Kapitel näher beschäftigen, nehmen Sie sich fünf Minuten Zeit und notieren Sie, was Ihnen spontan dazu einfällt.

7.6.1 Die biblische Wanderroute
Die Wanderroute der Israeliten ist schwer zu rekonstruieren, denn die Aufenthaltsorte aus Ex 15-19 Mara, Massa-Meriba, Elim und Sin sind nicht mehr identifizierbar. Die Oase Kadesch-Barnea (En-El Quderat im Ost-Sinai), um die sich einige Erzählungen ranken, war in der Spät-Bronzezeit nach Auskunft der Archäologen unbewohnt.

Auch eine Rekonstruktion mit Hilfe des Stationenverzeichnises in Num 33 verbietet sich von vornherein. Dieser Text scheint nämlich eine spätere gelehrte Schreibtischkonstruktion späterer Autoren (P, um 550 v.Chr.) zu sein.
Der kürzeste Weg der Israeliten in die Freiheit, eine Wanderung an der Mittelmeerküste entlang („Via Maris“) ist nicht sehr wahrscheinlich, da diese Route stark kontrolliert war durch Festungen (Finkelstein/Silberman: Keine Posauen, S. 74).
Sicher führte die Strecke aber auch nicht so weit in den Süden, wie die biblische Tradition annimmt. Erstens hätte eine Wanderung über den südlichen Sinai einen größeren Umweg auf dem Weg nach Kanaan dargestellt, außerdem hätte man sich weiter auf ägyptisch kontrolliertem Territorium befunden.

Realistischer ist hingegen die Annahme einer Landnahme von Osten her, da das Land Kanaan von dort aus verwundbarer war als von Süden her. Die Geschichten von den Kämpfen der Israeliten gegen die Könige des südlichen Ostjordanlands (Num 21) sind allerdings Rückprojektionen späterer Konflikte, denn zur fraglichen Zeit war dieses Gebiet noch nahezu unbesiedelt.

Vieles bleibt unklar bei der Rekonstruktion der Auszugsroute anhand der Bibel. Einige Forscher meinen sogar, ein solches Unterfangen mache überhaupt wenig Sinn. Bei dem fraglichen Textkomplex handle es sich nämlich um eine späte Komposition verschiedener ursprünglich voneinander unabhängiger Traditionen. So kommen wir letztlich über Spekulationen nicht hinaus.

7.6.2 Der Gottesberg


Gipfel des Mosesberges (Dschebel Mussa)

Schon früh wird als Ziel des Auszugs genannt, dass Israel seinem Gott in der Wüste ein Fest feiere bzw. ihm Opfer darbringe (Ex 3,18; 5,1). Nach dem Erzählduktus des Buches Exodus hat sich dieses Ziel am Gottesberg dann erfüllt. Man hat deshalb vermutet, dass der Berg ein frühes Jahwe-Heiligtum darstellte. Manche Forscher gingen sogar von einem Wallfahrtsort aus (Martin Noth: Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, Stuttgart 1948, S. 66.238).
Sicher scheint zu sein, dass eine Gruppe von Menschen, die später in Israel aufging, am Gottesberg (erstmals?) Jahwe begegnete und dort sich seinem Willen unterstellte. Allerdings setzen viele Gebote vom Sinai die sesshafte Existenz von Ackerbauern voraus, müssen also jünger sein als der Erzählrahmen das voraussetzt.
Der Gottesberg, auf dem Mose die 10 Gebote erhielt, trägt in der Bibel unterschiedliche Bezeichnungen (vgl. H. Donner: Geschichte Israels und seiner Nachbarn in Grundzügen, Bd.1, S.112f. ; A. Soggin, Geschichte Israels und Judas, S. 104). In den Quellenschriften J und P wird er „Sinai“ genannt, beim Elohist und in dtr bearbeiteten Texten heißt er „Horeb“. Lothar Perlitt (Sinai und Horeb, FS W. Zimmerli, 1977, 302-322) hat vermutet, dass der Begriff Horeb ursprünglich einfach „Ödland“ oder „Wüstengebiet“ bezeichnete, sekundär dann zum Bergnamen geworden sei.
Eine sehr alte christliche Lokaltradition (ab 4.Jhd.) identifiziert den Gottesberg mit dem 2292 m hohen Dschebel Mussa auf der südlichen Sinaihalbinsel. Wenn das stimmt, hätten die Israeliten auf dem Weg ins Gelobte Land allerdings einen großen Umweg hinter sich bringen müssen. Andere Vermutungen suchen den Berg im nördlichen Arabien, im Gebiet des ehemaligen Moab (vgl. Gal 4,25) bzw. Edom (vgl. Ri 5,4). Israelische Forscher haben auch Vulkane im Negev (Har Qarqom) als Lokalisierung erwogen. Eine völlige Gewissheit in dieser Frage wird es wohl kaum geben.

Arbeitshinweis
In vielen Religionen spielen heilige Berge als Grenzgebiet zwischen Himmel und Erde, zwischen Diesseits und Jenseits, eine hervorragende Rolle. Oft werden sie als Wohnstätte der Götter vorgestellt. Auch Geschichten den Empfang von wichtigen Offenbarungen sind weit verbreitet. Gehen Sie diesen Hinweisen weiter nach! Worin besteht die Bedeutung dieser Berge? Neben dem Sinai gibt es noch u.a. folgende heiligen Berge:

Heilige Berge

Adam's Peak in Sri Lanka Fußabdruck Shivas bzw. Buddhas
Die vier heiligen Berge Tibets Sitz der Haupt-Berggottheiten Nyenchen Thanglha,
Yarlha Shampo, Kula Kangri und Nöjikangsang
Hira in Arabien Rückzugsgebiet Mohammeds
Olymp Sitz der griechischen Götter
Kailash in Indien Thron der Hindugötter Shiva und Parvati
Berg der Seligpreisungen in Galiläa Hier hielt Jesus seine berühmte Bergpredigt

Bildernachweis
Luftbild: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nile_River_and_delta_from_orbit.jpg
Sinaiberg: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:NearSinaiTop.JPG