Die Geschichte Israels

von Stefan Meißner


7. Der Auszug aus Ägypten

7.1 Das Geschichtsbild des Buches Exodus

7.2 Einleitungsfragen

7.3 Geschichte des Exodus

7.4 Die Gestalt des Mose


Dirk Bouts: Moses am brennenden Dornbusch

Literatur
Jan Assmann, Moses der Ägypter: Entzifferung einer Gedächtnisspur, München 2000
Eckart Otto: Mose: Geschichte und Legende , München 2006; Ders. (Hrsg.), Mose. Ägypten und das Alte Testament, Stuttgart: 2000; Sigmund Freud: Der Mann Moses und die monotheistische Religion, Frankfurt/M. 1970; J. Wehrle: Moses – historische Person oder fiktive Gestalt?, Wege zum Menschen 51/1999, 185-201; J. Boecker u.a.: Altes Testament, § 1; H. Donner: Geschichte Israels und seiner Nachbarn in Grundzügen, Bd.1,S. 126ff.
Herbert Schmid, Die Gestalt d. Mose. Probleme alttestamentl. Forschung unter Berücks. d. Pentateuchkrise. Darmstadt 1986; Siegfried Herrmann: Mose, in: Ders., Gesammelte Studien zur Geschichte u. Theol. d. AT. München 1986, S. 47-75

Eckart Otto: MosesMose kommt in der alttestamentlichen Überlieferung fraglos eine überragende Bedeutung zu. Doch viele Stellen, wo er vorkommt, werden relativ spät (exilisch/nachexilisch) datiert. Aber welchen Anteil hatte Moses am Exodus wirklich? In welchen Überlieferungen ist er ursprünglich verwurzelt und wo ist er erst sekundär eingefügt worden als literarische Klammer? Was ist die ursprüngliche Rolle des Mose: Gesetzgeber, charismatischer Führer, Prophet, Gesetzgeber oder gar Religionsstifter? Diese Fragen sind noch immer höchst umstritten.

Eine äußerst skeptische Position vertrat M. Noth, für den nur die Mosegrabtradition als historisch gesichert galt. Doch wie das (angeblich unbekannte; vgl. Dtn 34,6!) Grab eines ein sonst bedeutungslosen ostjordanischen Scheichs zum Kern der späteren Mose-Tradition werden konnte, bleibt so unbeantwortet. Auch muss beachtet werden, dass die literarischen Berichte vom Mosegrab deuteronomistischer Herkunft, also sehr spät entstanden, sind.

Zu einem wesentlich optimistischeren Ergebnis kommt Siegfried Herrmann: Moses ist fast in jedem der biblischen Überlieferungskomplexe verwurzelt. Er dreht die Beweislast einfach um: Die Skeptiker müssen ihre Position durch Quellen belegen, nicht diejenigen, die den biblischen Berichten folgen. Eine Mosebiographie lässt sich sicher nicht mehr schreiben, aber einige Detailfragen lassen sich doch noch ein wenig erhellen:

Der Name „Moses“ ist sicher ägyptischen Ursprungs. Bekannt sind Pharaonen mit den Namen Tut-moses oder Ra-mses. Wir haben es bei der Endung dieser Namen mit dem gleichen Wortstamm wie beim Namen „Moses“ zu tun. Er bedeutet wörtlich übersetzt: „Gott XY hat gezeugt“ - weist also den Träger des Namens, ganz in der Tradition des altägyptischen Königsideals, als Sohn Gottes aus. „Ramses“ wäre also ein Sohn des Sonnegottes Ra. Mose ist eine Kurzform eines solchen Namens, bei dem der Gottesnamen wegfiel.

Der andere Moses: Maimonides
ein großer jüdischer Schriftgelehrter des 13. Jhds., hat seinen Namensvetter im fünften seiner 13 Glaubensgrundsätze („Ikarim“) als den größten aller Propheten Israels bezeichnet, auf dessen Prophezeiungen man hören müsse. An anderer Stelle nennt er ihn auch „unseren Rabbi“ (= Lehrer). Interessant ist nun, dass der Begriff „moshe rabbenu“ (= „Moses, unser Rabbi“) im Hebräischen den Zahlenwert 613 besitzt – genau die Zahl der Ge- und Verbote, die Moses seinem Volk am Sinai übermittelte. Alles nur Zufall? Vgl. dazu auch: http://www.hagalil.com/judentum/rambam/ben-maimon-xxx.htm

 

War also Mose ein Ägypter, wie im Gefolge Sigmund Freuds („Der Mann Moses und die monotheistische Religion“) immer wieder vermutet worden ist? Nicht unbedingt, viele semitischen Einwanderer nach Ägypten gaben ihren Kindern ägyptische Namen. Die Etymologie aus dem Hebräischen (mšh = „herausziehen“), die auf die Geschichte von der Rettung aus dem Nil zurückgeht, ist historisch jedenfalls unbrauchbar. Seine Eltern Amram und Jochebed (vgl. 2. Mos 6,20) hatten ihn angeblich in einem Schilfkörbchen auf dem Nil ausgesetzt, um ihn so vor dem Kindermord des Pharaos zu retten. Die Tochter des Pharaos, die in der jüdischen Überlieferung Bitja genannt wird (bMeg 13a; bSam 19b), habe ihn dann gerettet. Doch diese Erzählung von der Kindheit des Mose (Ex 2) ist eine Wanderlegende, die historisch wenig zuverlässig sein dürfte. Geschichten von einem ausgesetzten Kind, das durch wundersame Rettung überlebt und dann zu einem wichtigen großen Mann heranwächst, finden sich auch über Kyros II (559-530), Romulus und Remus und Sargon I. von Akkad (2350-2294v.Chr.).

Aber auch wenn Ex 2 historisch nicht sehr aussagekräftig ist, bleibt es wahrscheinlich, dass Mose, wie es die Bibel darstellt, ein Israelit war, der am Hof des Pharao aufwuchs. Mose hatte einen älteren Bruder namens Aaron (vgl. Ex 4,14), von dem sich später ein Priestergeschlecht herleitete. Seiner Schwester Miriam, die in Ex 15,20 als Prophetin angesprochen wird, wird ein Lied zugeschrieben, das lange Zeit als Keimzelle der ganzen Exodusüberlieferung galt:

„Und Mirjam sang ihnen vor:
Laßt uns dem HERRN singen,
denn er hat eine herrliche Tat getan,
Roß und Mann hat er ins Meer gestürzt.
(Ex 15,21)

Beide, Aaron und Miriam scheinen, zumindest während der Wüstenwanderung, den Führungsanspruch ihres Bruders durchaus kritisch gesehen zu haben. Das legen Sätze wie Num 12,1f. nahe, wo die Geschwister provokativ fragen:
„Redet denn der Herr allein durch Mose? Redet er nicht auch durch uns?” Auch in der Geschichte vom Goldenen Kalb (Gen 32-34) zeigt sich ein enormes Konfliktpotential zwischen Mose und Aaron.

Schönbergs "Moses und Aaron"
Ein spannungsvolles Paar sind auch Arnold Schönberg hat in seinem Fragment gebliebenen Musikwerk die beiden Brüder Moses und Aaron als Repräsentanten verschiedener Auffassungen von Gott profiliert. Keine leichte Kost, aber eine Entdeckung wert. Achten Sie v.a. darauf, die der Komponist die biblische Vorlage umsetzt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Moses_und_Aron

Ob Mose levitischer Abstammung war, wie manche Bibelstellen (Ex 2,1; Num 26,59) nahe legen, ist ungewiss. Es könnte sich auch um eine spätere Zuschreibung handeln. Nach Dtn 34,6 starb Mose mit 120 Jahren auf dem Berg Nebo im heutigen Jordanien. Dieses hohe Alter dürfte, ähnlich wie bei anderen Figuren in der Genesis, eher symbolischen Wert zu besitzen.

Externe Links
http://www.bautz.de/bbkl/m/mose.shtml

Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bouts_moses.jpg