Die Auslegungsregeln des Rabbi Hillel

Die sieben Auslegungsregeln stammen nicht wirklich von Rabbi Hillel, sondern wurden diesem lediglich aufgrund seiner Autorität als Schuloberhaupt zugeschrieben. Die Regeln sind eine Zusammenstellung der im rabbinischen Judentum üblichen Regeln des Beweisverfahrens. Neben den hier wiedergegebenen sieben Regeln des Hillel gibt es auch noch die dreizehn Regeln des Rabbi Jischmael, eines großen Gelehrten aus der Zeit Bar Kochbas (um 135).

1. Qal wa-chomer "Vom Leichteren auf das Schwerere"): Schluß a minori ad maius, vom Leichteren (weniger Bedeutenden) auf das Schwerere (Bedeutendere).
"Ein qal wa-chomer vom Weizenkorn: dieses wird nackt begraben und kommt bekleidet heraus. Wie viel mehr ist dies von den Gerechten zu erwarten, die bekleidet begraben werden." (bKet 111b)

2. Gesera schawa ("gleiche Verordnung, gleiche Satzung"): Analogieschluß, wenn in zwei zu vergleichenden Sätzen diesselben Ausdrücke (nur dort) vorkommen.
In Lev 27,7 heißt es, "ein Mann von 60 Jahren und mehr" habe bei der Einlösung eines Gelübdes einen bestimmten Schätzwert. mAr IV,4 lässt das "und mehr" auch bei anderen Altersangaben gelten, wo das "und mehr" nicht ausdrücklich hinzugesagt ist.

3. Binjan ab mi-katub echad ("Gründung einer Familie von einem Wort"): Verallgemeinerung eines besonderen Gesetzes, die von einer einzigen Bibelstelle ausgeht.
SifDtn § 148 leitet aus Dtn 17,6 ab: wo der Ausdruck jimmatse ("er wird angetroffen") in einem bestimmten Zusammenhang ausgesagt wird, sind immer zwei oder drei Zeugen verlangt.

4. Binjan ab mi-schne ketubim ("Gründung einer Familie von zwei Wörtern"): Verallgemeinerung, die auf zwei Bibelstellen gründet.
In MekhNez 9, L II 72f. wird aus Ex 21,26.27 (Auge oder Zahn) verallgemeinernd geschlossen, dass ein Herr für jeden unersetzlichen Schaden, den er seinem Sklaven zufügt, ihm die Freiheit schenken muss.

5. Kelal u-ferat u-ferat u-kelal ("Allgemeines und Besonderes, Besonderes und Allgemeines"): Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere und umgekehrt.
TNeof zu Ex 23,19 (Zicklein nicht in der Milch der Mutter kochen): "Du sollst nicht Fleisch mit Milch kochen und essen!"

6. Ke-jotze bo be-maqom acher ("dem Ähnliches an einer anderen Stelle"): Schluss aus einer anderen Bibelstelle, ähnlich den Analogieschluss, jedoch nicht so streng geregelt.
Mekh (L.I 1-3) widerlegt die Annahme, das in der Bibel zuerst Genannte sei auch in Wirklichkeit vorrangig, durch eine entsprechende Bibelstelle (Ex 3,6: "der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs"; vgl. aber Lev 26,42: "Ich gedenke meines Bundes mit Jakob, mit Isaak und Abraham")

7. Dabar ha-lamed me-injano ("der Schluss aus dem Kontext"): Schluss aus dem Kontext der biblischen Aussage
San 86a schließt aus dem Kontext, dass es in Ex 20,16 um Menschenraub, in Lev 19,11 aber um Geldraub geht.

Auch von Rabbi Jischmael sind Auslegungsregeln überliefert. Sie finden Sie hier...

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