RESSOURCE-GUIDE ISRAEL

"Israel" - Eine Einführung in das Thema

von Stefan Meißner


Antiterrorzaun bei Abu-Dis

Am 10. Mai 1995 beschloss die Synode der Evangelischen Kirche der Pfalz eine Verfassungsänderung, in der sie (neben anderen Punkten) erklärt, „jeder Form von Judenfeindschaft“ entgegen zu treten. Nach dem, was in der Nazi-Zeit in Deutschland den Juden angetan wurde, klingt diese Absichtserklärung wie eine selbstverständliche Pflichtübung. Doch in den letzten Jahren, insbesondere seit 2006 nehmen hierzulande die Anfeindungen gegen Juden, bis hin zu tätlichen Übergriffen, wieder in beängstigendem Maße zu. Glaubt man neueren sozialwissenschaftlichen Studien (Vom Rand zur Mitte, Studie der FES, S.54f.), sind antijüdische Ressentiments unter Christen sogar noch weiter verbreitet als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Das muss uns betroffen machen: Hat die Neubesinnung im Verhältnis zum Judentum, die in den Kirchen stattgefunden hat und die von unseren jüdischen Gesprächspartnern durchaus wohlwollend aufgenommen worden ist (Vgl. u.a. die Erklärung führender jüdischer Wissenschaftler und Geistlicher „Dabru Emet“), so wenig in die Breite gewirkt? War und ist der christlich-jüdische Dialog nur ein Modetrend, dem einige wenige Fachleute nachgelaufen sind, der aber an der kirchlichen Basis mehr oder weniger spurlos vorbeigegangen ist?

Eine der Säulen dieses „neuen Antisemitismus“, wie er in den Medien meist genannt wird, ist eine überzogene und maßlose Kritik am Staat Israel. In einer aktuellen Broschüre, die VELKD und EKD gemeinsam herausgegeben haben, heißt es: „Antisemitismus schleicht sich ein, wenn sich mit der Kritik an der Politik des Staates Israel eine Verurteilung und Ablehnung 'der Juden’ oder 'des Judentums’ verbindet.“ (Quelle: hier) Nun ist völlig klar, dass nicht jede Kritik an Israel oder an konkreten Maßnahmen der israelischen Regierung per se judenfeindlich ist. Sie entspringt meist der durchaus berechtigten Sorge um den Frieden und die humanitäre Lage der Menschen in der Region, Palästinenser und Israelis gleichermaßen. Es ist bedauerlich, dass der Blick für den partiellen Wahrheitsgehalt solcher Kritik oft durch die Form, in der sie vorgetragen wird, verstellt wird.

Ein Tabu ist die Kritik an Israel nicht, auch nicht in Deutschland - wenngleich genau dieser Anschein in der Öffentlichkeit immer wieder erweckt wird. So etwa im „Manifest der 25“, das jüngst renommierte deutsche Wissenschaftler in der Frankfurter Rundschau veröffentlichten (Quelle: hier). Markus A. Weingardt, Politikwissenschaftler an der Forschungsstelle der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg, hat Recht, wenn er die These vom "Verbot deutscher Israel-Kritik" als einen „leider sehr etablierte[n] und öffentlichkeitswirksame[n], aber durch nichts gestützte[n] Mythos“ bezeichnet (Quelle: hier). Israelkritik ist erlaubt und legitim - jedenfalls dann, wenn sie bestimmte Grenzen respektiert. Wo aber liegen diese Grenzen?

Die Grenze von berechtigter Israelkritik zu nicht mehr akzeptabler Judenfeindschaft ist m.E. dann überschritten, wenn (a) das Recht des jüdischen Volkes auf einen Staat bestritten wird, sie (b) Israel nach anderen Maßstäben beurteilt als andere Staaten, sie (c) sich bewusst auf eine verzerrte Darstellung gründet oder sie (d) sich einer Rhetorik mit antijüdischen Stereotypen bedient oder die Juden mit Nazis vergleicht (Diese vier Punkte in Anlehnung an: http://www.yadvashem.org.il.).

Für jeden einzelnen dieser „Grenzpfähle“ ließen sich zahlreiche aktuelle Beispiel anführen, wo diese - auch im innerkirchlichen Diskurs - überschritten worden sind. Ich verzichte, schon aus Platzgründen, auf eine ausführliche Darlegung solcher „Grenzüberschreitungen“. Wer aber die biblische Lehre von der Erwählung Israels als eine „rassistische Ideologie“ abtut, wer ferner die in der Tat problematische Grenzsperranlage Israels mit der Berliner Mauer, die Lage im besetzten Ramallah mit dem Warschauer Ghetto und den Staat Israel mit dem ehem. Apartheidregime Südafrikas vergleicht, wer schließlich im Zusammenhang mit dem Libanonkrieg längst überholt geglaubte Theorien von einer (amerikanisch-)jüdischen Weltverschwörung wiederbelebt, der darf sich nicht wundern, wenn er/sie mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert wird. Unverständlich ist mir ferner auch, wenn der Ökumenische Rat der Kirchen immer wieder Terrororganisationen wie Hisbollah und Hamas politisch aufwertet, deren erklärtes Ziel die Austilgung des „zionistischen Gebildes“ ist. Dass diese „Parteien“ durch Wahlen demokratisch legitimiert sind, macht ihren „eliminatorischen Antisemitismus“ (Matthias Küntzel) um keinen Deut besser. Klar dürfte sein, dass unsere Kirche solchen Entwicklungen nicht tatenlos zusehen oder sie gar unterstützen darf. Jedenfalls nicht, wenn sie die in unsere Verfassung aufgenommene Selbstverpflichtung ernst nimmt, jeder Form von Judenfeindschaft entgegen zu treten. Was aber bleibt konkret zu tun?

Der Arbeitskreis Kirche und Judentum unserer Landeskirche hat in fast zweijähriger Arbeit eine Thesenreihe erarbeitet, in der er die notwendigen Konsequenzen, die sich aus der Verfassungsänderung in Hinblick auf diesen „neuen Antisemitismus“ ergeben, dargelegt hat („Israel: Staat, Land, Volk“. Thesenreihe des Arbeitskreises „Kirche und Judentum“ der Evangelischen Kirche der Pfalz, Protestantische Pfalztexte 17; vgl. hier). Es war von Anfang an der Plan, diese Thesenreihe, die über die Landeskirche hinaus auf lebhafte Resonanz gestoßen ist, zu ergänzen durch einen sog. „Ressource-Guide“. Dieser sollte mithelfen, die teilweise unübersichtliche Diskussionslage in Bezug auf den Staat und das Land Israel zu entwirren, und praktische Tipps für die praktische Arbeit in den Gemeinden und in der Bildungsarbeit an die Hand geben. Im Zuge des gruppeninternen Meinungsbildungsprozesses entstanden so eine Reihe von Beiträgen ganz unterschiedlichen Charakters und von unterschiedlicher Ausführlichkeit. Das thematische Spektrum reicht von einer Betrachtung des Themas Israel im biblischen (Beckmann, Hofmann) und rabbinischen (Meißner) Schrifttum, über eine Untersuchung seiner binnenkirchlichen Rezeption (Foth), hin zu einer Darstellung aktueller Aspekte und Positionen desselben im Nahostkonflikt (Gutzler). Geschichtliche, terminologische und topografische Informationen (Meißner) runden die Palette ab.

Alle diese Beiträge sind von den Autoren persönlich verantwortet, also durchaus subjektiv, und decken nicht das gesamte Spektrum an Meinungen innerhalb des Arbeitskreises und schon gar nicht unserer Landeskirche ab. Auch fehlen sicher einige thematische Gesichtspunkte, die in diesem Zusammenhang auch relevant wären und eine ausführlichere Berücksichtigung verdient hätten. Ein Desiderat wäre etwa eine Erörterung des Landes aus muslimischer Sicht, aber auch eine Untersuchung über das Land in der christlichen und jüdischen Liturgie. Auch eine übersichtliche Quellensammlung und eine Adressen- und Linksammlung wäre zur Weiterarbeit am Thema hilfreich. Das alles mag zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden – etwa auf der Plattform einer Internet-Seite, die jederzeit ergänzt und aktualisiert werden kann. Pläne in diese Richtung liegen bereits vor und für Beiträge und Ratschläge, auch israelkritische, ist unser Arbeitskreis jederzeit dankbar. Bis zur Realisierung dieses Angebots hoffen wir, dass das nunmehr vorliegende Zwischenprodukt, trotz seines begrenzten Fokus’, dazu beitragen möge, die neu entfachte innerkirchliche Diskussion um das Thema „Israel – Staat, Land, Volk“ weiter zu befruchten.

 

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