Christen und Juden - Fremde Geschwister (II)
Ein Gang durch die Theologiegeschichte
Dr. Stefan Meißner


Wissen um die gemeinsamen Wurzeln

Bei allem Neid und Hass: Zuweilen entwickeln Geschwister doch so etwas wie ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Das gemeinsame väterliche (und mütterliche) Erbe lässt sich nicht ganz verleugnen. So haben auch Christen und Juden ein Wissen bewahrt um die eine Wurzel, die beide trägt. Ein Gang durch die Theologiegeschichte zeigt verschiedene Versuche auf, beide Religionen in Beziehung zueinander zu setzen.

Maimonides

Die meisten jüdischen Denker des Mittelalters würdigten Christentum und Islam als Schriftreligionen, wobei Maimonides aber, einer der bekanntesten unter ihnen, keinen Zweifel daran ließ, dass er den Islam bevorzugte, da er das Christentum immer in Gefahr sah, aufgrund seines Trinitätsdogmas den Monotheismus zu verwässern. Auf christlicher Seite wurde das Problem der nichtchristlichen Religionen meist durch eine natürliche Theologie erledigt: So zählte das Judentum zu den vorbereitenden Offenbarungen Gottes, die durch die letztgültige Offenbarung in Jesus Christus überboten und (im Hegel´schen Sinne) aufgehoben wurden.

Franz Rosenzweig

Wir springen ins 20. Jahrhundert, wo Franz Rosenzweig, der große jüdische Philosoph, das Judentum als den "Stern der Erlösung" und das Christentum als dessen Strahlen darstellte. Dieses Konzept betont die gegenseitige Angewiesenheit der beiden Religionen. Ein Stern, der nicht strahlt, macht kein Licht, bleibt also wirklungslos. Umgekehrt ist kein Strahlen denkbar, ohne die Lichtquelle, die es speist.

Leo Baeck

Leo Baeck, ein führender Repräsentant des liberalen Judentums in Deutschland, stellte das Judentum als "klassische Religion" dem Christentum als "romantische Religion" gegenüber. Erstere wird nach dem Modell einer (neu)kantianischen Pflichtenethik gezeichnet, während letztere als im Kern mystische Verschmelzung mit dem Göttlichen dargestellt wird.

Martin Buber

Ebenfalls einen antitypischen Ansatz verfolgte Martin Buber, der Judentum und Christentum als "Zwei Glaubensweisen" ansah: Der Glaube des Judentums (emuna) sei wesensmäßig ein Vertrauen auf die Leitung und Führung Gottes, wohingegen der christliche Glauben (pistis) zu einem bloßen "Für-Wahr-Halten" von Dogmen degeneriert sei. Interessant immerhin, dass Buber Jesus noch ganz als Repräsentanten der jüdischen "emuna" betrachtete, weshalb er ihn auch als "großen Bruder" bezeichnen konnte.

Problem: Exklusivitätsanspruch

Von einer geschwisterlichen Sprache waren christliche Theologen in dieser Zeit noch weit entfernt - und sind es zum Teil noch bis heute. Belastend für ein Gespräch mit dem Judentum wirkt sich der schon im NT anklingende Exklusivitätsanspruch aus ("Niemand kommt zum Vater denn durch mich..."), der den Dialogpartner immer nur als potentielles Missionsobjekt in den Blick bekommt. Erst Jahrzehnte nach dem Holocaust fand die Kirche die Kraft, ihre Lehrgrundlagen hinsichtlich ihres Verhältnisses zum Judentum auf den Prüfstand zu stellen. Waren sie nicht mit schuld an dem Völkermord der Nazis?

Synodalbeschluss der Rheinischen Kirche

Ein Umdenken in diesen Fragen markierte der Synodalbeschluss der Rheinischen Kirche aus dem Jahr 1980, wo ausdrücklich zum Verzicht auf Judenmission aufgefordert wird. Die Gründung des Staates Israel wird als Zeichen der Treue Gottes interpretiert, die sich auch in der bleibenden Erwählung Israels zeige. Theologischer Kernbegriff ist der des einen Bundes, in den die Christen mit hineingenommen worden sind.

Verfassungsänderung der Pfälzischen Landeskirche

Andere Landeskirchen - so auch unsere eigene, die evangelische Kirche der Pfalz - sind gefolgt mit Erklärungen und Verfassungsänderungen, wobei manchmal die Rede von zwei Bünden bevorzugt wird oder auf diesen Begriff ganz verzichtet wird. In unserer Kirchenverfassung ist etwa ein Passus eingefügt worden, wonach wir Christen in "die Verheißungsgeschichte Gottes mit seinem ersterwählten Volk Israel" hineingenommen worden sind.

 

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