Ein Fest für alle Konfessionen:
Die Synagogeneinweihung in Dahn vor 150 Jahren

von Ottmar Weber


Ottmar Weber bei einer Führung durch die Synagoge in Dahn

Damals war es ein Fest für alle Einwohner, egal ob Juden oder Katholiken. Als die Dahner Synagoge vor 150 Jahren eingeweiht wurde, feierte der gesamte Ort mit. Ganz anders in den 1930er Jahren, als der NS-Mob das Gotteshaus anzünden wollte. Dass es erhalten blieb, ist einer Dahner Familie zu verdanken. In dieser Woche wird das Jubiläum gefeiert.

Über die Einweihung der Dahner Synagoge am 4. Juli 1873 wusste der Kantonsanzeiger Erstaunliches zu berichten: Glaubensgenossen aus nah und fern waren gekommen, alle Häuser des Dorfes waren beflaggt, von den Bergen donnerten Böller, der Männergesangverein und eine Kapelle begleiteten den nicht enden wollenden Festzug zur neu erbauten Synagoge. Es war ein herrliches Fest im Geiste der Duldung und Nächstenliebe. Religiöse wie konfessionelle Unterschiede schwanden und das Band der Bruderliebe umschlang alle gleich einer großen Familie. Es war bereits die dritte Synagoge, die vor 150 Jahren in Dahn eingeweiht wurde. Die erste 1813 amtlich erwähnte Synagoge befand sich in einem Privathaus, nach mündlicher Überlieferung im Haus Kirchgasse 5. Die zweite Synagoge wurde 1822 in der Schäfergasse 8 (Judengasse) errichtet. 1872/1873 wurde sie wegen Baufälligkeit abgerissen und an gleicher Stelle die dritte Synagoge errichtet. Direkt daneben war schon 1843 die israelitische Schule mit Mikwe fertig gestellt worden. Synagoge und Schulhaus sind in ihrer Substanz noch gut erhalten. Von der ersten Synagoge gibt es weder Abbildungen noch sind Reste der zweiten Synagoge zu finden.

Das Gebäude
Der schlichte Bau ist aus Bruchsteinen gemauert, seine Mauern sind 60 Zentimeter stark. Das nicht unterkellerte Gebäude, auf einem Sockel aus Sandstein errichtet, bot etwa 60 Männern und auf der Empore etwa 30 Frauen Platz. Den Außenbau gliederten an den Längsseiten je drei hohe, rundbogige Fenster, mit leicht hufeisenförmiger Bekrönung in maurisch-orientalischem Stil. Auf der Nordseite ist ein Fenster noch in seiner ursprünglichen Form erhalten. Die übrigen wurden 1938/1939 beim Umbau der Synagoge in eine Schreinerei durch das Einziehen waagerechter Fensterstürze zu Fabrikfenstern verbreitert. Bei dem Umbau ist auch ein chorähnlicher Anbau, vergleichbar einer Apsis, an der Ostseite entfernt worden. In beiden Giebelspitzen finden sich Rundfenster im Originalzustand. Den Giebelabschluss auf der Westseite bildeten die Zehn-Gebote-Tafeln, die beim Umbau ebenfalls entfernt wurden. Im Westen befindet sich auch der Eingang. Über drei oder vier Sandsteinstufen führte ein überdachter Zugang. Das Portal aus rotem Sandstein ist gut erhalten. Eingangstüren tragen noch die ursprüngliche lind- und dunkelgrüne Farbe. Außen ist auf der Nordseite der glatte Kalkputz mit ockergelbem Anstrich teilweise noch zu sehen. Auf dieser Seite wurde 1929 ein Kamin errichtet.

Getrennte Bereiche für Männer und Frauen
Männer und Frauen betraten getrennt die Synagoge. Die Frauen kamen durch die linke Portaltüre in einen Windfang aus Holz, der den Blick in die Männersynagoge verwehrte. Von hier aus gelangten sie über eine Holzstiege auf die Frauenempore. Die Empore aus Holz verläuft an der Nord-, West- und Südwand, getragen von vier gusseisernen Säulen der Firma Gienanth. Die Balustrade der Empore diente den Frauen als Gebetpult. Beim Umbau wurde sie entfernt und in die Aussparung eine Holzdecke eingezogen. Die Männer traten durch die rechte Türe in die Synagoge. Links und rechts des Mittelgangs standen die Pulte auf einem leicht erhöhten Holzboden, rechts in acht, links in sieben Reihen. Der Toraschrein in der Apsis bestimmte die Gebetsrichtung nach Osten. Er war von zwei aufgemalten Säulen flankiert. Darüber hingen die Zehn-Gebote-Tafeln. Ein Vorhang aus Brokat, Samt oder Seide verhüllte ihn. Vor dem Toraschrank hing an einer Kette das Ewige Licht, links und rechts jeweils ein Leuchter. Im Mittelgang stand das Vorlesepult, von dem Kantor oder Vorbeter im Gottesdienst Gebete und Gesänge vortrug. Diese Aufgabe fiel bis zum Ersten Weltkrieg Lehrer Nathan Haas und danach bis 1933 Lehrer Ludwig Nußbaum zu. Nach dessen Wegzug 1933 nach Frankfurt hat Julius Katz das Amt des Vorbeters bis zu seinem Tode 1938 übernommen. Bilder und Statuen gab es gemäß dem Zweiten Gebot in der Synagoge nicht.

Das Ende der Synagoge
Das Ende der Dahner Synagoge begann 1935/1936, als das Minjan, die für den Synagogengottesdienst geforderte Mindestzahl von zehn erwachsenen männlichen Juden, nicht mehr erbracht werden konnte. Außerdem wurden die Gottesdienste regelmäßig durch nationalsozialistische Provokateure gestört. Ein ordentlicher Gottesdienst war nicht mehr möglich. Am 18. August 1938 kauften schließlich die Eheleute Ludwig und Anna Flory von Josef Katz, Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde Dahn, die Synagoge mit dem jüdischem Schulhaus. Ludwig Flory versah unverzüglich das jüdische Schulhaus zur Hofseite hin mit einem Anbau (Treppenhaus) und baute die Synagoge in eine Schreinerwerkstatt um. Alle Rundbogenfenster, bis auf eines auf der Nordseite, wurden durch breite Industriefenster ersetzt. Am Ostgiebel wurde die Apsis entfernt und ein Fenster eingesetzt. Im Innern der Synagoge nahm Flory nur die nötigsten Veränderungen vor. Als der Mob in der Reichspogromnacht bei der Synagoge auftauchte, um sie anzuzünden, scheuchte sie Ludwig Flory davon. Die Übernahme und der insgesamt schlichte Umbau durch Anna und Ludwig Flory haben das Kulturdenkmal vor der Zerstörung bewahrt.

Innenausmalung noch erhalten
Die Inneneinrichtung und liturgischen Geräte der Dahner Synagoge gingen vollständig verloren. Die Synagogenausmalung ist durch einen Überstrich mit Kalkfarbe wirkungsvoll konserviert. Bei der Ausmalung handelt sich um eine dekorative, am Jugendstil orientierte Schablonenmalerei mit Rankenmustern und ?oralen Motiven. Die Farben im Innenraum leuchten in Grün- und Brauntönen auf ockergelbem Untergrund, der Sockel ist dunkelgrün und durch ein karminrotes Band abgesetzt. Die Kalkkaseinfarbe ist von guter Deckfähigkeit mit leichtem Glanz und wasserfest; der spätere Kalkanstrich kann mit einem weichen feuchten Schwamm problemlos entfernt werden. Durch den Kalkanstrich wurde auch die Ausmalung der Holzdecke in der Frauensynagoge konserviert. Von einem taubenblauen Himmel heben sich Sterne in goldener Farbe und verschiedener Größe gut sichtbar ab.

Erhaltenswerte Kulturdenkmale im Wasgau
Mit der Dahner Synagoge, dem jüdischen Friedhof bei Busenberg sowie drei Schulhäusern und einer Mikwe besitzt der Wasgau einzigartige Zeugnisse jüdischen Lebens. Es sind Denkmale einer gemeinsamen Kultur und mahnende Erinnerungen an die Geschichte, die erhalten werden sollten. Mit der Bereitschaft der Stadt Dahn, die Synagoge zu kaufen und mit finanzieller Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz umzugestalten, ist dafür ein wichtiger Schritt getan worden. Der neu gegründete Dahner Förderverein „Landjudentum im Wasgau“ hat in seiner Satzung verankert, die Organisation der Dahner Synagoge als Ort der Begegnung, des Erinnerns und Gedenkens zu übernehmen. Damit sind gute Voraussetzungen für das Gelingen des Projekts Dahner Synagoge und Landjudentum im Wasgau gegeben.

Quelle: DIE RHEINPFALZ, Artikel vom 03. Juli 2023

Weiterführender Link
Auf den Spuren der Juden in der Südpfalz