Der Abriss der Kaiserslauterer Synagoge

von Roland Paul

Im Juli 1938 bestellte der Bürgermeister von Kaiserslautern, Richard Imbt, den ersten Vorsitzenden der jüdischen Kultusgemeinde, Justizrat Dr. Blüthe, ins Rathaus und erklärte ihm, die Synagoge passe nicht in das Stadtbild und sei den Erweiterungs- und Verschönerungsplänen der Stadt überhaupt im Wege. Die jüdische Gemeinde müsse die Synagoge daher gegen Überlassung eines anderen Gebäudes an die Stadt abtreten. Wenige Tage darauf, so lesen wir in einer unveröffentlichten Darstellung des letzten Kaiserslauterer Rabbiners, Dr. Sally Baron, die der Verfasser im New Yorker Leo-Baeck-Institut fand, ’versammelte sich die Gemeinde in der Synagoge, um ihre erzwungene Einwilligung hierzu abzugeben. Schweigen und Trauer lag über dieser Versammlung, und es wagte selbstverständlich niemand ein Wort des Widerspruches. Der Vorsteher ließ sich beauftragen, den Wunsch an die Stadtgemeinde zu richten, daß wenigstens bis nach den kommenden hohen Feiertagen die Synagoge der Gemeinde überlassen bliebe. Aber dieses Gesuch wurde abgelehnt oder gar nicht beantwortet. Donnerstag, den 25. August, wurde dem Vorsteher beschieden, daß vom kommenden Sonntag ab die Synagoge nicht mehr von der Gemeinde benutzt werden dürfe.

Am Samstag, dem 27., hielt der Rabbiner vor dem Havdalah (das am Ausgang des Sabbats gesprochene, von besonderen Zeremonien begleitete Gebet) eine letzte Rede, die Abschiedspredigt in der Synagoge. In ungewöhnlicher Zahl war die Gemeinde versammelt, schmerzerfüllt, daß sie die ihr so liebe Synagoge hergeben mußte, daß dies der letzte Gottesdienst in ihr sein müsse, den sie unter Weinen mit dem Sprechen der drei jüdischen Bekenntnissätze beschloß, und gleichsam wie das letzte Aufflackern des Lebenslichtes eines Sterbenden leuchtete das Licht der Havdalahkerze (...)'. Bald darauf erfolgte die Sprengung der Synagoge, was auf Veranlassung der Stadt in einem Film festgehalten wurde. (...) Und als der Film wenige Wochen nach dem Abbruch den Herren Ratsmitgliedern vorgeführt wurde, gaben diese wohlgefällig - laut Ratsprotokoll – ’ihre Befriedigung über die neue Art der Gemeinschaftsarbeit mit der Stadtverwaltung in anerkennenden Worten Ausdruck'. (...)

In der folgenden Nacht (28. Juli 1938) verschwand aus dem Nebenzimmer der Schrank mit dem Silberschmuck der Thorarollen. Die Polizei leitete zwar ein Verfahren gegen Unbekannt wegen Diebstahls ein, stellte aber gar keine Untersuchungen an. Der Gemeinde wurde provisorisch ein Raum mit vergitterten Fenstern in dem früheren, schon seit einer langen Reihe von Jahren aus hygienischen Gründen nicht mehr benutzbaren Zuchthaus zur Verfügung gestellt, in welchem mangels eines anderen der Gottesdienst an den folgenden Sabbaten und an den Hohen Feiertagen stattfinden mußte. Die Synagoge selbst wurde dann am Sabbat, den 17. September, gesprengt (...).

 

Quelle: Roland Paul: „Die Kaiserslauterer Synagoge und ihr Schicksal vor 50 Jahren“, in: Stadt- und Landkurier, 3. November 1988, Nr.44, S.14. Ders.: „Eines der beschämendsten Ereignisse der Stadtgeschichte“, in: Die Rheinpfalz, 17. 9. 1988.