Theologieprofessor will das Alte Testament aus der Heiligen Schrift verbannen

Professor Dr. Notger Slenczka empfiehlt Kehrtwende zurück in den deutschen Kulturprotestantismus

von Friedhelm Pieper

Mit nachfolgender Stellungnahme macht Friedhelm Pieper, evangelischer Präsident des DKR, einen „theologischen Skandal im deutschen Protestantismus“ namhaft, der bislang beschämender Weise ohne Kritik und Widerstand im protestantischen Raum schweigend geduldet oder ignoriert wurde. Der DKR hofft, mit dieser theologischen Stellungnahme diese Mauer des Schweigens durchbrechen und eine kritische Debatte in der evangelischen Kirche anregen zu können.

Bad Nauheim, April 2015
Präsidium und Vorstand des Deutschen Koordinierungsrates

 

Es herrscht ein merkwürdiges Schweigen um einen handfesten theologischen Skandal im gegenwärtigen deutschen Protestantismus. Bereits 2013 erschien die Abhandlung „Die Kirche und das Alte Testament“ des Berliner Professors für Systematische Theologie Dr. Notger Slenczka im „Marburger Jahrbuch Theologie XXV“ (1) und hat bisher erstaunlich wenig Aufsehen erregt. Dabei verlässt Slenczka mit diesem irritierenden Beitrag einen Grundkonsens christlicher Theologie: Er glaubt, die These des Kulturprotestanten Adolf von Harnack aus dem Jahr 1921 neu empfehlen zu sollen, wonach das Alte Testament (AT) für die Kirche aus dem Kanon der christlichen Bibel zu entfernen sei. Die Lektüre seines Artikels lässt den Leser höchst irritiert zurück: Slenczka schlägt die theologische Sackgasse des deutschen Kulturprotestantismus des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts für die Kirche der Gegenwart als eine ernstzunehmende Gesamtschau auf den christlichen Glauben vor, samt der darin enthaltenen Abwertung des Alten Testaments.

1. Religionsgeschichte als Geschichtskonstruktion

Die Sicht Harnacks auf die Religionsgeschichte wertet Slenczka als wesentlichen Beitrag zum Verständnis des gegenwärtigen „christlichen Selbstbewusstseins“. Danach wäre der erste Teil der Bibel für die Kirche nur als eine religionsgeschichtliche Vorstufe des christlichen Glaubens wahrzunehmen. Mit Jesus wäre dann eine fundamentale Weiterentwicklung geschehen, deren grundsätzlicher Neuansatz auf „die Bedingungslosigkeit und damit auf die Universalität der Vaterliebe Gottes und seines Reiches“ ziele und in der Folge zu einer Ablösung von der Vorstufe der in Harnackscher Sicht nur partikularen Glaubenswelt im alten Israel geführt habe. Die Geschichte des Christentums wäre dann als fortwährende „Selbsterfassung“ (S. 92) zu verstehen, innerhalb derer die Reformation als „wichtiger Schritt“ zu werten sei. Vollends aber wäre die „von Jesus von Nazareth gestiftet religiöse Idee... erst im Zuge (der) Ausarbeitung der reformatorischen Einsichten in der Aufklärung und im 19. Jh. zum adäquaten Verständnis ihrer selbst gelangt“ (S. 93).

Dass diese Perspektive zu einer verheerenden Verzerrung der Inhalte der hebräischen Bibel führte, ist bekannt. Wir finden bei Slenczka dann auch klassische Beispiele einer reduzierten Wahrnehmung alttestamentlicher Texte in der protestantischen Theologie seit Schleiermacher aufgeführt: das Alte Testament sei „ein Zeugnis einer Stammesreligion mit partikularen Anspruch“ (S. 94), das "die Universalität des Religiösen" noch nicht zum Ausdruck bringe, die eben "erst in Jesus von Nazareth erfasst" wird (S. 95). So hätte denn auch - nach Bultmann - das Alte Testament "nicht gegenwärtige Gewissheit der Nähe und der Zuwendung Gottes" artikulieren können, denn die "Gegenwart Gottes erschließe allein das kirchliche Kerygma" (S. 108).

2. Theologischer Antijudaismus

Dass solche verzerrenden Wahrnehmungen der Texte der hebräischen Bibel Hand in Hand gehen mit groben Verzerrungen in der Darstellung des Judentums, liegt nahe. Nur Slenczka sieht darin kein Problem und zitiert kritiklos antijüdische Stereotypen z.B. bei Schleiermacher: „Gott als Exekutor des Gesetzes der Vergeltung" (S. 96). Beim Lesen alttestamentlicher Texte "verkommt" das "christlich fromme Selbstbewusstsein" zu einer "gesetzlichen Denkweise oder einem unfreien Buchstabendienst" (S. 97). Nach Slenczka ist nun damit genau eine "Verirrung" christlichen Selbstbewusstseins benannt, die auch Harnack zu seiner Ablehnung des Alten Testaments geführt habe (ebd.). Nachdem Slenczka gleich zu Beginn seiner Abhandlung die Vermutung formuliert, dass "Positionen, die dem Alten Testament keine konstitutive Funktion in der Kirche zubilligen wollen, zugleich unter dem Verdacht des 'Antijudaismus' zu stehen kommen", fragt sich, welche andere Beurteilung denn hier noch möglich ist. Indem Notger Slenczka sich derart zustimmend in die antijüdische Tradition des deutschen Protestantismus hineinstellt, kann seine Abhandlung nicht anders gewertet als eben so, dass sie eine Neuauflage des protestantischen Antijudaismus darstellt. Einer solchen Kehrtwende in die theologischen Sackgassen der letzten Jahrhunderte muss energisch widersprochen werden !

3. Der konstruierte Gegensatz von Universalität und Partikularität

Slenczka entscheidet, dass er sich für seine Ausführungen „nicht auf detaillierte exegetische Debatten einlasse“ (S. 85), sondern "im Gespräch mit den historischen Teildisziplinen nach den leitenden hermeneutischen Prinzipien des Umgangs mit dem AT" fragen möchte. Hier entsteht gleich zu Beginn die Frage, ob der Umgang mit dem größten Textkorpus der christlichen Bibel nicht grundsätzlich die intensive Diskussion mit der exegetischen Forschung notwendig macht. So hätte Slenczka nämlich wahrnehmen können, dass die Texte der hebräischen Bibel mitnichten eine nur partikulare, allein auf das Volk Israel reduzierte Perspektive einnehmen. Das besondere Gottesverhältnis Israels wird von vornherein eingebettet in die Schöpfung und den Rahmen der allgemeinen Menschheitsgeschichte. Die Geschichte Israels kommt in der hebräischen Bibel (hebräische Bezeichnung: "Tanach") als partikulare Besonderheit der universalen Geschichte Gottes mit seiner Welt zum Ausdruck, deren universaler Horizont immer wieder thematisiert wird.

So wird es auch in der die hebräische Bibel, den "Tanach", interpretierenden jüdischen Tradition wahrgenommen, z.B. bei Rabbi Akiba :

"Geliebt ist der Mensch, denn er ist zum Ebenbild (Gottes) erschaffen worden; aus noch größerer Liebe ist ihm kundgetan, dass er zum Ebenbild (Gottes) erschaffen worden ist, denn es heißt: zum Ebenbild Gottes machte er den Menschen (Gen 9,6). Geliebt sind die Israeliten, denn sie heißen Kinder Gottes; aus noch größerer Liebe ist ihnen kundgetan worden, dass sie Kinder Gottes heißen, denn es heißt: Ihr seid Kinder des Herrn, eures Gottes (Dtn 14,1). " (Pirqe Avot 3,14).

Auch im Neuen Testament kann die universale Sendung der christlichen Gemeinde zusammen mit der bleibenden Erwählung Israels und also der fortdauernden besonderen Beziehung Gottes zu seinem Volk wahrgenommen und ausgesagt werden.

In der exegetischen Literatur werden seit langem Alternativen zu einem angenommenen fundamentalen Gegensatz zwischen einer universalen und einer partikularen Perspektive biblischer Texte diskutiert, unter anderem in der Auseinandersetzung mit multiperspektivischen und polyphonen Ansätzen. Ein Blick in die weiteren Beiträge im Marburger Jahrbuch Theologie XXV allein zeigt, wie die Wahrnehmung unterschiedlicher Perspektiven in den alttestamentlichen Texten für die gegenwärtige Debatte fruchtbar gemacht werden kann. Für Jens Schröter gehört es z.B. zum "evidenten Befund..., dass die Schriften Israels und des Judentums im Urchristentum gerade nicht als überholt oder als negative Kontrastfolie, sondern als Deutehorizont für das Christusereignis betrachtet und entsprechend interpretiert werden" (S. 57, s.a. S. 79).

Viele Texte der hebräischen Bibel, die sich auf die besondere partikulare Erfahrung des Volkes Israel in seiner Beziehung zu Gott fokussieren, erwiesen sich zudem in der Geschichte des Christentums als konstruktiver Bezugsrahmen zur Deutung eigener Situationen. Man denke etwa an die universale Wirkung der alttestamentlichen Exodusgeschichten. So schreibt Peter Dabrock im benannten Jahrbuch, dass "die alttestamentlichen Traditionen .. immer wieder Menschen inspiriert" haben, "ihre eigenen Erfahrungen mit unrechtem 'Recht' oder mit Machtmissbrauch von diesen biblischen Geschichten her zu deuten und durch diese Deutung gestärkt gegen die eigenen Unrechtswiderfahrnisse zu kämpfen. Oft sind unterdrückte, benachteiligte, marginalisierte Menschen oder marginalisierte Gruppen oder Personen durch die Selbstidentifikation mit Israel, dem Volk Gottes, überhaupt erst sprachfähig geworden, um so ihre eigenen Leidenserfahrungen benennen zu können". (S. 163). Im Unterschied zu Slenczka und der von ihm aufgeführten religionsgeschichtlichen Tradition sieht Dabrock in den Texten der hebräischen Bibel Perspektiven, denen "eine enorme Erschließungskraft für gegenwärtige Lebensverhältnisse" zukommt (S. 164).

4. Slenczkas Konstrukt eines "christlichen Selbstbewusstseins"

Dreh- und Angelpunkt bei Slenczka ist der Verweis auf ein "christliches Selbstbewusstsein" als Kriterium der Bewertung von Texten und der Beurteilung ihrer Eignung für den Kanon einer Heiligen Schrift. In der Tradition von Schleiermacher und Harnack konstruiert Slenczka ein solches "christliches Selbstbewusstsein" als Überzeugung von einer "Bedingungslosigkeit und Universalität der Menschenliebe Gottes", welche diese christliche Überzeugung nun in den Texten des Alten Testaments nicht wiedererkennen würde und daher ihnen gegenüber "fremdelt" (S. 100).

Oben wurde bereits darauf verwiesen, dass die Vereinnahmung einer universalen Perspektive allein für das Neue Testament oder allenfalls auch für die späteren Schriften der Hebräischen Bibel exegetisch nicht überzeugend ist. Hier nun wird zusätzlich deutlich, dass die konstruierte Wahrnehmung der Texte bei Slenczka auch zu einer eigenen Konstruktion eines "christlichen Selbstbewusstseins" führt. Dieses "Selbstbewusstsein" würde beim Lesen der atl. Texte "fremdeln", was nach Slenczka dann auch einer angeblich faktisch abwehrenden Haltung dem ersten Testament gegenüber entspräche. Hier trifft die Kritik Friedhelm Hartensteins von "der neuzeitlich-protestantische(n) Engführung auf die innere Gewissensthematik des christlichen Selbstbewusstseins" (S. 38) zu.

Eine empirische Untersuchung für das von ihm konstruierte "christliche Selbstbewusstsein" führt Slenczka nicht an. Er hätte dann ja auch finden können, dass unendlich viele Christinnen und Christen sich durch den Reichtum alttestamentlicher Texte beschenkt fühlen. Er wäre vielleicht auch auf die "Beliebtheit" dieser Texte des Ersten Testaments "in der Verkündigungspraxis" der Kirchen gestoßen, auf die Reiner Preul zu Beginn seines Beitrags zum Marburger Jahrbuch XXV verweist (S. 169).

5. Die Verdrängung des "Fremdelns" als produktive Erfahrung

Überhaupt offenbart der Kurzschluss Slenczkas vom "Fremdeln" zum "Abstoßen" (S. 95) eine merkwürdig reduzierte Lesepraxis. Es gibt kein Lesen jahrtausendealter Texte ohne die Erfahrung eines "Fremdelns", einer Irritation, einer nicht gleich reduzierbaren Spannung, einer nicht umgehend beantwortbaren Herausforderung, einer unerwarteten Überraschung. Das gilt nicht nur für die Texte des AT, sondern ebenso für die des Neuen Testaments. Aber eben gerade darin kann weiterführende Einsicht gewonnen werden! So interpretiert Friedhelm Hartenstein im selben Jahrbuch als theologischen Zugang zum "Schriftprinzip" die Leseerfahrung zunächst abständiger Texte als ein "initium im Sinne der Auseinandersetzung mit dem historisch Fremden und hermeneutisch Widerständigen, das sich eben gerade nicht von selbst versteht, sondern die Arbeit des Verstehens fordert" (S. 34). Den biblischen Texten sollte nicht die Funktion zugeschrieben werden, unser bisher entwickeltes Selbstverständnis nur noch zu bestätigen, wie Peter Dabrock deutlich macht: "Die Gefahr, dass die Fremdheit biblischer Texte dabei zugunsten resp. zuungunsten tiefgreifender Projektionen aufgegeben würde und so gerade ihren störenden und kritischen Charakter gegenüber unseren Selbstbildern verlöre, ist schließlich erheblich" (S. 165). In der Tat! Wer nach der Erfahrung eines Fremdelns die Lektüre biblischer Texte gleich abbricht, vergibt sich die Chance, das Potential dieser Texte für die Deutung und Bewältigung auch gegenwärtiger Lebenssituationen auszuloten, ein Potential, das jedenfalls offenbar für die anderen Autoren des Marburger Jahrbuches XXV noch längst nicht abgegolten ist.

6. Slenczkas Zwei-Götter-Lehre

Gänzlich fassungslos steht der Leser dann vor der Formulierung, mit der Slenczka meint, seine einseitige Auswahl und Deutung protestantischer Positionen hermeneutisch zusammenfassen zu sollen. Es ergäbe sich ein Grundproblem, "nämlich die Frage nach der Aneignung eines Textes, dessen ursprünglicher, historisch feststellbarer Sinn für die ihn kanonisierende Trägergemeinschaft in keiner Weise als Zeugnis für Christus bzw. den Glauben der Gemeinde an ihn verstanden werden kann: er spricht zu anderen von einem andern Gott" (S. 111). Slenczka müsste wissen, dass sich hier sofort die Frage erhebt, wie denn christlicherseits die Formulierung "ein anderer Gott" überhaupt möglich ist. Da er sich aber dazu nicht weiter einlässt, muss nun die Forderung nach Klarstellung direkt an den Autor erhoben werden. Nicht nur die Gemeinschaft der Studierenden an der Universität Berlin, sondern - nachdem Slenczka mit seinem Beitrag in die Öffentlichkeit getreten ist - eben gerade diese hat einen Anspruch darauf, von Prof. Slenczka zu erfahren, wie er denn als evangelischer Theologe ein derart schwerwiegendes Austreten aus dem christlichen Grundkonsens verantworten wolle. "Für Luther .. hatte mit der breiten Tradition der Theologiegeschichte gegolten, dass der Gott des Alten und des Neuen Testaments ein und derselbe ist", so Friedhelm Hartenstein in seinem Beitrag zum Marburger Jahrbuch XXV (S. 37). Notger Schlenczka bleibt die Auskunft schuldig, ob dies für ihn nun nicht mehr gilt.

7. Der falsch verstandene christlich-jüdische Dialog

Vollends in Leere greift der Versuch Slenczkas, ausgerechnet den christlich-jüdischen Dialog als Zeugen dafür aufzurufen, dass eine christliche Lesart der Texte des Alten Testaments abzulehnen sei (S. 119). Die auch im Dialog mit dem Judentum neu gelernte Wahrnehmung des in seiner eigenen Geschichte begründeten jüdischen Lesens und Lebens mit der Hebräischen Bibel hat zu der These vom doppelten Ausgang des AT geführt, also einer jeweils eigenen Wirkung dieser Texte im Judentum und im Christentum. Slenczka führt zwar diese These vom doppelten Ausgang des AT an (S. 105f.), schafft es aber nicht, diese für seine Abhandlung fruchtbar zu machen. Statt dessen zwängt er auch diesen konstruktiven Ansatz in das Korsett seiner Religionsgeschichte und behauptet - allerdings in reichlich unscharfer Formulierung -, dass die im Alten Testament "versammelten Texte zu den Überzeugungen der Kirche in einem doch eher konfliktuösen Verhältnis stehen", sodass sie eben in der Kirche nur als "religionsgeschichtliche Voraussetzung des christlichen Glaubens" zu verorten wären (S. 106). So vergibt er sich die Chance, die mit dem christlich-jüdischen Dialog der letzten Jahrzehnte eröffnet wurde, und die darauf basiert, dass die jüdische und die christliche Lektüre der Hebräischen Bibel, einander nicht mehr ihre Legitimität bestreitend, damit begonnen haben, voneinander und miteinander zu lernen.

8. Benannte und verdrängte Widersprüche im Marburger Jahrbuch Theologie XXV

Warum, so fragt man sich angesichts der von Slenczka neu vorgetragenen These Harnacks, das Alte Testament aus dem Kanon der christlichen Bibel zu verbannen, haben die Herausgeber des Marburger Jahrbuchs Theologie XXV den so abwegigen Beitrag Slenczkas überhaupt aufgenommen?

Befragt man dazu die Einleitung des Jahrbuchs von Konrad Stock, so bleibt man ein zweites Mal irritiert zurück. Stock referiert die einzelnen Beiträge und glaubt, sie so zusammenfassen zu können, dass sie "von der Relevanz des Alten Testaments für das Leben der Christus-Gemeinschaft in den Kirchen und den Konfessionen" sprechen (S. 17). Aber genau das geschieht im Beitrag von Slenczka eben nicht. Stock referiert Slenczkas These vom "Fremdeln" der Christen gegenüber den Texten des Alten Testaments (S.11), um dann wenig später mit Blick auf den Beitrag Preuls dessen beobachtete "Beliebtheit alttestamentlicher Texte in der Verkündigungspraxis der Kirche" zu benennen. Ich finde es höchst merkwürdig, dass der eklatante Widerspruch zwischen dem Beitrag Slenczkas und der anderen Autoren des Jahrbuches nicht gesehen oder verdrängt wird - Autoren, die im Unterschied zu Slenczka versuchen, einen konstruktiven und höchst lehrreichen Zugang aus christlicher Perspektive gerade auch zu herausfordernden, sperrigen und störenden Texten der Hebräischen Bibel aufzuzeigen.

Immerhin scheint unter den Herausgebern eine heftige Diskussion geführt worden zu sein, anders ist das vehement formulierte Vorwort zum Marburger Jahrbuch XXV von Elisabeth Gräb-Schmid und Reiner Preul nicht zu verstehen: "Die Überzeugung eines an Aufklärung und Humanität orientierten christlichen Glaubens, die dem bisweilen als 'Rachegott' bezeichneten Gott des Alten Testaments meint Lebewohl sagen zu müssen, ist immer noch präsent. Eine solche Theologie enthält sich damit aber selbst jeder Aufklärung nicht nur geschichtlicher und exegetischer, sondern auch systematisch-theologischer Art. Sie ist selbst in ihrem Kern blind für den Glauben Jesu, der den Gott Israels als seinen Vater bekannte, ebenso wie gegenüber wesentlichen Aussagen der paulinischen Theologie". Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen! Oder doch: es ist an der Zeit, dass dies von Seiten Evangelischer Theologie und der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht mehr nur indirekt, sondern in direkter Auseinandersetzung mit der abwegigen These Slenczkas zur Sprache kommt.

Literaturangabe:

1. Slenczka, Notger, Die Kirche und das Alte Testament, in: E. Gräb-Schmidt, R. Preul (Hg.), Das Alte Testament in der Theologie, Marburger theologische Studien 119, Leipzig 2013

Pfarrer Friedhelm Pieper ist Evangelischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der
Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Bad Nauheim. Er arbeitet als Europa-referent im Zentrum Oekumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Frankfurt am Main.