Judentum im Überblick (5)

Das jüdische Jahr im Überblick

von David Seldner

Susanne Galley
Das jüdische Jahr. Feste, Gedenk- und Feiertage.
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Der jüdische Kalender

Ende 1997 befinden wir uns im jüdischen Jahr 5758. Diese Zahl ergibt sich ganz einfach, wenn man die Torah aufmerksam liest. Am siebenten Tag erschuf G’tt den Menschen, in Gestalt von Adam. Da in der Torah das Lebensalter der wichtigsten darin vorkommenden Menschen erwähnt ist, oder das Alter, in dem sich eine Frau befand, als ihr Kind geboren wurde, müssen nur die entsprechenden Jahre zusammengezählt werden.

Der jüdische Tag beginnt abends, mit dem Sonnenuntergang, da dies bei der Erschaffung der Welt so beschrieben ist: „Es ward Abend, es ward Morgen: ein Tag.“
Der jüdische Kalender wurde von Hillel II. im Jahre 358 eingeführt. Er richtet sich nach dem Mondlauf, ein Monat beginnt mit dem Neumond („Rosch Chodesch“) und hat 29 oder 30 Tage. Siebenmal in einem Zyklus von 19 Jahren wird ein zusätzlicher Monat eingefügt, damit die Feste immer in die selbe Jahreszeit fallen. Dies ist ein großer Unterschied zum Islam, wo der Fastenmonat Ramadan sich jährlich verschiebt, im Judentum ist beispielsweise das Neujahrsfest Rosch Haschanah immer im Herbst.

Die Feiertage

Vor der nachfolgenden Beschreibung der einzelnen Feiertage ist es wichtig darauf hinzuweisen, daß dies eine Schilderung der orthodoxen Sichtweise ist. Beileibe nicht jeder Jude lebt danach, nur Orthodoxe tun es. Von den anderen übernimmt jeder nur soviel, wie er (bzw. sie) für richtig hält. Der Mensch ist von G’tt mit einem freien Willen ausgestattet worden, der ihm die Fähigkeit gibt, frei zu entscheiden, inwieweit er sich an Gebote und Verbote halten will. Dies muß jeder Mensch mit sich selbst ausmachen und er muß es nur vor sich und G’tt verantworten.

Die meisten der Feiertage dauern zwei Tage, dies ist allerdings nur außerhalb Israels der Fall. Der Grund hierfür liegt darin, daß früher der Zeitpunkt des Monatsanfangs (der entsprechende Konsequenzen auf die Feiertage hatte) durch Kundschafter mitgeteilt wurde, später durch Rauchzeichen. War man jedoch zu weit von Jerusalem weg, war die Unsicherheit so groß, daß man „sicherheitshalber“ zwei Tage lang das Fest beging, um ganz sicher zu gehen, daß man auch den richtigen Zeitpunkt erwischte. Mittlerweile ist durch Astronomie, Funk, etc. der Zeitpunkt genau zu bestimmen, aber es wurde beschlossen diese Regelung beizubehalten. Ein Grund hierfür könnte sein, daß den Juden immer bewußt sein sollte, daß sie sich nicht im Heiligen Land befinden. Das Reformjudentum hat diese Regelung jedoch nicht übernommen, sondern feiert – wie in Israel – die Feste jeweils nur einen Tag lang. Hier folgt eine Beschreibung der wesentlichsten Feste, wie sie außerhalb Israels begangen werden.

Das jüdische Jahr beginnt Monat Tischri (i.allg. September/Oktober). An diesem Tage (und am nächsten) wird das Neujahrsfest, Rosch Haschanah („Kopf des Jahres“), gefeiert. In der Torah als „Tag des Gedenkens“ (Jom Hasikaron) bezeichnet, ist er nicht wie das christliche Neujahrsfest ein Freudenfest, an dem Feuerwerksraketen gezündet werden, sondern – wie der Name schon sagt – ein Tag des In-Sich-Gehens, der Auftakt zu den zehn Bußtagen, die dann mit dem Versöhnungsfest (Jom Kippur) ihr Ende finden. In diesen Tagen soll man das letzte Jahr Revue passieren lassen, sich seiner Fehler bewußt werden und anderen, denen man Unrecht getan, um Verzeihung bitten. Einige Tage lang ißt man in Honig getunkte Äpfel, die ein süßes Jahr symbolisieren sollen. Es heißt auch, daß in diesen Tagen das Urteil gefällt wird, wie das nächste Jahr verlaufen wird. In den zehn Bußtagen (Jamim Nora’im) ist es Sitte wie auch in den Tagen zuvor, besondere Bußgebete (Selichot) zu sprechen und zum Friedhof zu gehen (was ansonsten im Judentum nicht üblich ist, da die Ruhe der Toten nicht gestört werden soll).

Die zehn Bußtage finden ihren Abschluß am 10. Tischri, am Versöhnungsfest Jom Kippur. Jom Kippur ist der höchste Feiertag, es wird gefastet, d.h. weder gegessen noch getrunken. Man kleidet sich bescheiden und verzichtet auf jede Art von Luxus. Der Tag wird größtenteils betend in der Synagoge verbracht, danach fühlt man sich wieder rein (im rituellen Sinne) und bereit für ein neues Jahr.

Kurz darauf, am 15. Tischri, beginnt Sukkot, das Laubhüttenfest. Dieses Fest dauert acht Tage, allerdings sind nur die ersten beiden und die letzten beiden Tage Feiertage, die anderen Halbfeiertage. Sukkot ist zum einen ein Erntedankfest und zum anderen eine Erinnerung an die Zeit, in der das Volk Israel durch die Wüste wanderte und in Zelten und Hütten schlafen mußte. „Sukkot“ ist der Plural von „Sukkah“ und „Sukkah“ heißt „Hütte“. Man errichtet eine Laubhütte, eine kleine Hütte, in der das Dach mit Laub bedeckt ist und mit viel Obst geschmückt wird, und nimmt dort Mahlzeiten ein, ganz Orthodoxe übernachten sogar in der Laubhütte. Der letzte Tag heißt Simchat Torah, Torahfreudenfest. An diesem Tage wird die Torah, die im Laufe eines Jahres im G’ttesdienst laut vorgelesen wird, zu Ende gelesen und wieder von vorne begonnen. Alle Torahrollen, über die die Gemeinde verfügt, werden durch die Synagoge getragen, man tanzt und singt, Bonbons fliegen die Luft, die Kinder krabbeln auf dem Boden herum, um sie aufzulesen. Für die Kleinsten ist es das Fest schlechthin!

Nach diesem Monat voller Feste dauert es etwa zwei Monate bis zum nächsten Fest. Am 25. des Monats Kislew (meistens zwischen Ende November und Ende Dezember) beginnt das Chanukkah-Fest (Lichterfest), das acht Tage lang dauert. Das Chanukkah-Fest erinnert an den Aufstand der Makkabäer gegen die Griechen und die Reinigung des entweihten Tempels. Einer Legende nach wurde im Tempel noch ein kleines Fläschchen Öl gefunden, das normalerweise nur für einen Tag gereicht hätte, aber durch ein Wunder acht Tage lang brannte. Aus diesem Grunde werden acht Tage lang Kerzen angezündet, am ersten Tag eine Kerze, am zweiten Tag zwei, bis am letzten Tag acht Kerzen brennen. Der Leuchter, der für diese Kerzen verwendet wird, heißt Chanukiah. Chanukkah ist eines der nachbiblischen Feste, also eines, das in der Torah nicht erwähnt ist.

Im Monat Adar findet das Purim-Fest statt. Purim ist ebenfalls – wie Chanukkah – ein nachbiblisches Fest, es erinnert an die wundersame Rettung des jüdischen Volkes vor der Verfolgung Hamans, dem Statthalter des persischen Königs Achaschweros. An diesem Tage wird in der Synagoge die Megillat Esther (die Rolle Esther) vorgelesen, die die Geschichte der Rettung beschreibt. Jedesmal, wenn der Name „Haman“ erwähnt wird, wird laut auf die Tische geklopft oder es wird mit Rasseln gelärmt, um den Namen des Bösewichts zu übertönen. Es versteht sich von selbst, daß auch dieses Fest von den Kindern heiß geliebt wird. Es ist ein wahres Freudenfest, man verkleidet sich, der Genuß von Alkohol ist ausdrücklich erlaubt (allerdings soll man damit aufhören, bevor man sich daneben benimmt). Auch die Frauen, die sonst – im Gegensatz zu den Männern – von der Pflicht zum Synagogenbesuch freigestellt sind, sollen an diesem Tage in die Synagoge gehen. Der Grund hierfür liegt darin, daß eine Frau (nämlich die Königin Esther) entscheidenden Anteil an der Errettung hatte.
Als nächstes folgt am 14. Nissan (meist März/April) das acht Tage währende Pessachfest (wie bei Sukkot sind jedoch nur die beiden ersten und die beiden letzten Tage Feiertage). Pessach ist das Familienfest schlechthin, am ersten Abend gibt es den Seder, an dem die Geschichte des Auszugs aus Ägypten erzählt wird und man sich den Unterschied zwischen Sklaverei und Freiheit vergegenwärtigt. Eine lange Tafel, mit vielen Köstlichkeiten und gutem Essen, viel Gesang, viele Geschichten, man sitzt bis zum frühen Morgen zusammen und feiert. Manchen christlichen Theologen gilt dieser Sederabende als Ursprung des Abendmahls. Dann dürfte das Brot, das Jesus verteilte, Matzah, das ungesäuerte Brot, gewesen sein, denn am Sederabend verteilt der Hausherr Matzah an alle Anwesenden.

Genau 50 Tage nach Pessach, am 2. und 3. Siwan, ist Schawuot (Wochenfest) (auch das christliche Pfingstfest wird in gleichem zeitlichen Abstand nach Ostern begangen). Dies ist – neben Sukkot und Pessach – das dritte Wallfahrtsfest. Ursprünglich ein Erntedankfest, erinnert es vorwiegend daran, daß an diesem Tage das Volk Israel am Berge Sinai (durch Moses) die Torah erhielt.

Neben den oben genannten Feiertage gibt es noch einige kleinere, sowie einige neueren Datums:
Im Monat Schewat ist das Neujahrsfest der Bäume, Tu Bischwat (15. Schewat). An diesem Tage macht man sich die Bedeutung der Pflanzenwelt bewußt und es ist Brauch, Bäume zu pflanzen.
Am 9. des Monats Aw gibt es Tischa Be’Aw (9. Aw). Dieser Tag ist ein Trauertag, vom Ablauf des G’ttesdienstes her wohl der traurigste im jüdischen Jahr. Am 9. Aw des Jahres 586 v.d.Z. wurde in Jerusalem der erste Tempel zerstört. Am 9. Aw des Jahres 70 n.d.Z. ging in Jerusalem der zweite Tempel in Flammen auf. Am 9. Aw des Jahres 135 n.d.Z. wurde der Bar-Kochba Aufstand gegen die Römer blutig niedergeschlagen. Am 9. Aw des Jahres 1492 n.d.Z. begann die Inquisition in Spanien.
27. Nissan: Jom HaSchoa. 1950 eingeführt zum Gedenken an die im Holocaust ermordeten sechs Millionen Juden.
3. Ijar: Jom Hasikaron. Gedenktag für die im Unabhängigkeitskrieg gefallenen israelischen Soldaten. An diesem Tag gedenkt man derer, die ihr Leben gelassen haben dafür, daß am nächsten Tag gefeiert werden kann.
4. Ijar: Jom Ha’atzma’ut, Unabhängigkeitstag. 1948 eingeführt nach der Gründung des Staates Israels.
28. Ijar: Jom Jeruschalajim, Jerusalemtag. 1967 eingeführt nach der Wiedervereinigung Jerusalems.

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