von Ulrike Minor
Ein
ansprechend gestalteter Schulhof mit recht neuen und abwechslungsreichen Spiel-
und Klettergeräten liegt hinter der Gustav-Wiederkehr-Schule in Mannheim-Sandhofen.
Kinder spielen Fußball an diesem sonnigen, aber kalten Freitagnachmittag.
Schwer fällt es da, sich vorzustellen, wie auf diesem Platz mehr als 1000
junge Männer stehen, erbärmlich frierend in viel zu dünnen, für
den Sommer ausgegebenen Häftlingsanzügen, ausgehungert und erschöpft.
Stundenlang mussten sie oft stehen im kalten Winter 1944/1945, die Gefangenen
des KZ-Außenkommandos Sandhofen, nach ihrer Rückkehr von der Zwölf-Stunden-Schicht
als Zwangsarbeiter im Daimler-Werk auf dem Waldhof. Einmal, am 4. Januar 1945,
mussten sie dabei auch der Hinrichtung ihres Kameraden Marian Krainski zusahen,
dem Sabotage vorgeworfen wurde. An die Leiden der 1060 jungen Polen, die von
September 1944 bis März 1945 in den 16 Klassenräumen der damaligen
Friedrichschule zusammengepfercht waren, erinnert seit Ende 1990 eine Gedenkstätte
in den Kellerräumen der Grundschule.
Sie war am Freitag Ziel eines Besuches des Gesprächskreises Juden-Christen
in Stadt und Landkreis Ludwigshafen im Programm der "Woche der Brüderlichkeit".
Dessen Leiter, der Rheingönheimer Pfarrer Frank-Matthias Hofmann, bezeichnete
es vor den rund 20 Teilnehmern als "außergewöhnlich, dass eine
KZ-Außenstelle inmitten eines Wohngebietes eingerichtet worden war, die
beiden Kirchen in Sichtweite". Und dennoch, so erzählte die Leiterin
des Diakonischen Werkes Ludwigshafen, Ulrike Scheurich, die als damalige Geschäftsführerin
des Mannheimer Stadtjugendrings Mitiniatorin der Gedenkstätte war, wollten
viele Sandhofener nichts davon gewusst haben, dass hier Zwangsarbeiter unter
erbärmlichen Umständen leben mussten. Gegen die Gedenkstätte,
die von rund 600
Besuchern im Jahr besichtigt wird, habe sich auch Widerstand aus dem Ort geregt.
Die jungen Polen, die meisten zwischen 16 und 20 Jahre alt, waren im Sommer
1944 nach dem Warschauer Aufstand von den Nazis inhaftiert und ins KZ Dachau
gebracht worden. Dort wurden sie von Daimler-Vertretern als Arbeiter ausgesucht
und kamen nach Mannheim. Das meiste, was aus dieser kurzen Existenz des Sandhofener
Kommandos bekannt und in der Dauerausstellung dokumentiert ist, weiß man
aus ihren Berichten und Erzählungen von Anwohnern und Augenzeugen. "Es
gibt ganz wenig Unterlagen, die SS hat am Ende des Krieges alles vernichtet",
erklärte dazu Ulrike Scheurich.
Die Haupterinnerungen der polnischen Ex-Gefangenen kreisen um Hunger und Kälte.
In der Endphase des Krieges war die Versorgungslage für alle schon so
schlecht, dass für die Häftlinge kaum etwas zu essen übrig blieb.
Häftlingskleidung für den Winter blieb aus. Viele erkrankten, rund
200 wurden im Laufe der Monate
in ein "Krankenlager" nach Vaihingen/Enz gebracht. Daher verzeichnet
das Mannheimer Lager auch nur 22 Todesfälle durch Krankheit. Marian Krainski,
der im Schulhof gehenkt wurde, wurde auf dem Mannheimer Hauptfriedhof begraben.
Außerdem starben einige Häftlinge bei einem Bombenangriff. Nach der
Schließung des Lagers landeten viele in den "Todesmärschen"
nach Osten.
Der Verein "KZ-Gedenkstätte Sandhofen", der die Gedenkstätte
trägt und betreut, hat in Kleinarbeit viele Einzelschicksale der "Mannheimer
Polen" erforscht und teilweise in der Ausstellung dokumentiert. Eine große
Tafel in deutscher und
polnischer Sprache erinnert heute am Schulgebäude an das Lager. Die Gedenkstätte
wird heute, so Scheurich, vor allem von Schulklassen besucht.
Ulrike Minor (Rheinpfalz-Redakteurin und Verfasserin gemeinsam mit Peter Ruf
des Buches "Juden in Ludwigshafen")