Das orthodoxe Judentum

von Nina Wagner

Der Begriffes "orthodox" ist schillernde, denn das orthodoxe Judentum ist in viele unterschiedliche Richtungen gespalten und deswegen sind verschiedene Auslegungen von "orthodox" vorhanden. Aus dem Griechischen übersetzt bedeutet orthodox "rechtgläubig". Allgemein soll dieser Begriff also diejenigen Juden beschreiben, die ihren Glauben und ihre Bräuche trotz der Aufklärung und der gesellschaftlichen Emanzipation nicht änderten. Die Bezeichnung "orthodox" kam allerdings erst im 19. Jahrhundert auf und wurde vom Reformjudentum zur Bezeichnung ihrer traditionalistischen Gegner verwendet. Innerhalb des Judentums bezeichnet es jene Gläubigen die, die Halacha (jüd. Gesetzeslehre) als verbindlich ansehen.

Dass die Orthodoxie über ein breites Spektrum verschiedener religiöser Lebensformen verfügt und in sich sehr zersplittert ist, mag auch erklären, warum die Orthodoxie kein zentrales Rabbinerseminar, keine zentrale Synagogenorganisation, keine geschlossene Rabbinervereinigung und kein zentrales Sprachrohr aufweist.
Hauptströmungen innerhalb der Orthodoxie sind z.B. die Neo-Orthodoxie, die Ultra-Orthodoxie und der Chassidismus.

Die Neo-Orthodoxie ist hauptsächlich in Westeuropa, aber vor allem in England, Frankreich und Deutschland verbreitet. Sie wurde in Frankfurt/Main durch den Rabbiner Samson Raphael Hirsch (1808-1888) gegründet. Die Grundideen der Neo-Orthodoxie entspringen dem traditionellen Judentum. Wichtig in dieser Glaubensrichtung ist, die sogenannten "Mitzwot" (=Gebote) einzuhalten und zu befolgen. Aber sie öffnen sich auch der westlichen Kultur, indem sie am öffentlichen Leben teilnehmen. Auch die Ultra-Orthodoxie ist der modernen Gesellschaft und Technologie nicht abgeneigt. Allerdings erfordert ihre völlige Hingabe an die Thora eine vollständige Absonderung von der Welt. Die Ultra-Orthodoxen werden auch in Anlehnung an Jesaja 66,5 als "Charedim" bezeichnet, "diejenigen, die (vor Gottes Wort) zittern".

Der Chassidismus, der in Polen und Russland viele Glaubensanhänger fand, wurde Ende des 18. Jahrhunderts von Rabbi Israel Baal Schem-Tov gegründet. Diese Glaubensrichtung übernahm viele Vorstellungen aus der mittelalterlichen Mystik, die man im Mittelalter als "Kabbala" bezeichnete. Grundlegend in der Mystik des Chassidismus ist, dass man Gott durch innere Erfahrungen (die man durch besondere Meditationsübungen vorbereiten muss) erkennen könne. Grundprinzipien des Chassidismus sind die verinnerlichte Lebensweise und Gotteshingabe, die Konzentration auf Gebete, sowie das soziale Engagement für die Armen und Schwachen. Zentren des Chassidismus sind in Israel und in den USA.

Trotz der Mannigfaltigkeit der verschiedenen Strömungen innerhalb des orthodoxen Judentums gibt es einige Glaubenssätze, die man als orthodoxes Allgemeingut ansprechen kann. So gibt es die Vorstellung eines allmächtigen, allwissenden und universellen Gottes. Darüber hinaus hat Gott alles geschaffen, erhält alles am Leben und ist die einzige Macht im Universum. Die meisten orthodoxen Juden haben bis zur Scho´ah die weltlich-zionistische Bewegung ablehnte. Aber als der Staat Israel entstand, spätestens aber seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967, begann ein Teil der orthodoxen Juden den Zionismus (Bewegung, die zum Ziel hatte, eine bleibende Heimstätte für die Juden zu finden) zu unterstützen.

Ein weiterer zentraler Punkt im Leben des orthodoxen Judentums ist die Thora. Die Thora ist im Glauben der Orthodoxie das Wort Gottes, so wie Gott sie am Berg Sinai offenbarte. Sie ist für den orthodoxen Gläubigen für alle Zeiten verbindlich. Es gibt 613 Gesetze und Gebote (die auch als Mitzwot bezeichnet werden) die alle bindend sind und alle den gleichen Stellenwert haben. Ritual,- und Moralgesetze sind dabei von gleicher Wichtigkeit. Darüber hinaus hat die mündliche Thora die gleiche Bedeutung oder Wichtigkeit wie die schriftliche Thora. Halacha und Mitzwot sind für das Judentum grundlegend wichtig. Die Mitzwot ist strikt zu beachten sowie umfassend und wortgenau zu befolgen.

In Israel ist das orthodoxe Judentum die einzige offiziell anerkannte Richtung. Ihre Gesetzesgelehrten und Rabbiner können allein vor dem Gesetz rechtsgültige Ehen schließen, sie allein können bestimmen, wer Juden ist, was u.a. für die Einwanderungsfrage relevant ist. Gegen diese Privilegien protestieren nicht nur säkulare, sondern auch liberale Juden.

 

(Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Projektes am Alfred-Grosser-Gymnasiums Bad Bergzabern. Die Autorin ist eine ehemalige Schülerin dieser Schule.

Weiterführende Links:

Israel: Land zwischen zwei Welten. Impressionen einer Israelreise 2017