Bet Jala, Westjordanland
„Talitha kumi - Mädchen steh auf!" wurde vor 150
Jahren als Kinderheim für arabische Mädchen gegründet und
ist heute ein großes Bildungszentrum am Ortsrand von Beit Jala (Palästina).
Träger ist seit 1975 das Berliner Missionswerk, das auch für
80 Prozent des Haushaltes von Talitha Kumi aufkommt. Es gibt einen Kindergarten,
eine Hotelfachschule und ein Gymnasium, wo man das Deutsche Internationale
Abitur (DIAP) ablegen kann. Etwa 1.000 christliche und muslimische Schüler
und Schüler besuchen heute das Schulzentrum. In den letzten Jahren
gibt es aber immer weniger christliche Palästinenser, deshalb nimmt
auch der Anteil der muslimischen Schüler zu. Viele der ehemaligen
Schüler aus Talitha Kumi sind jetzt angesehene Ärzte, Lehrer,
Architekten, Ingenieure. Fast alle Lehrkräfte sind einheimische Palästinenser,
der Schulleiter und die Deutschlehrkräfte kommen aus Deutschland.
Die Schüler aus Talitha Kumi lernen intensiv Deutsch und fahren teilweise
zu berufsorientierenden Praktika nach Deutschland, wofür einige der
Schüler auch in einem Youtube-Film zu sehen sind:
https://www.youtube.com/watch?v=PajJBcKJ9b8
Nummer1:
Meine Familie besteht aus fünf Personen: meine Eltern (mein Vater
arbeitet als Eisenmacher und meine Mutter als Hausfrau), meine drei Brüder
und ich. In meiner Freizeit mache ich meistens Sport und programmiere
auch Musik und hänge mit meiner Freundin herum. Nach der Schule will
ich gerne Maschinenbau in Deutschland studieren und danach in Palästina
oder in Deutschland arbeiten. Ich schätze mal, dass die Situation
in Israel angespannt ist, und ich glaube dass es auf beiden Seiten dieselben
Rechte geben soll, so dass alles besser wird. Eine jüdische Mädchen
zu heiraten ist schwer, weil ich erst die Sprache nicht kann und zweitens
hängt dass auch nicht von mir ab, sondern unsere Gesellschaft erlaubt
das auch nicht. Meine Wünsche sind, dass wir endlich in Frieden leben
und dass ich mich auch frei bewegen kann. Meine Ängste sind, dass
unsere Situation niemals gelöst wird oder dass ich selbst von meinem
Land weggeschickt werde. Also ich bin stolz auf meine Religion, aber es
spielt trotzdem nicht eine wichtige Rolle in meinem Leben.
Nummer2:
1) Ich lebe mit meiner Familie in Jerusalem. Mein Vater ist Fahrschullehrer
und meine Mutter ist Bibliothekarin. Ich habe zwei Brüder, die 13und
11 Jahre alt sind und wir gehen zusammen auf die Talitha Kumi Schule.
2) In meiner Freizeit spiele ich Fußball in einem Verein. Außerdem
treffe ich mich gern mit Freunden, mit denen ich zusammen Sport mache.
3) Nach der Schule möchte ich gern in Deutschland studieren. Ich
liebe Flugzeuge, deshalb werde ich etwas studieren, was damit zu tun hat.
4) Das ist eine schwere Frage. Ich bin mir sicher, dass es auf beiden
Seiten Menschen gibt, die sich nicht hassen, wie immer gezeigt wird. Aber
auf beiden Seiten sind Extremisten, die die Situation verschlechtern.
Man muss auch die normalen Bürger zusammenbringen, um sich zu verstehen
und nicht immer diese Politiker, die auf beiden Seiten nichts auf die
Reihe bekommen und gegeneinander arbeiten und nicht zusammen!
5) Natürlich werde ich in der Zukunft eine Familie haben, aber mit
einer jüdischen Ehefrau eher nicht. Erstens habe ich keine Kontakte
zu Juden. Weil ich auch nicht deren Sprache spreche, ist es schwer zu
kommunizieren. Außerdem würde es die Gemeinschaft auf beiden
Seiten, glaube ich, nicht erlauben. Es ist schwer diese Frage zu beantworten,
weil es noch schwerer ist es sich vorzustellen.
6) Ich habe viele Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft. Ich
hoffe, dass Palästina endlich einen eigenen Staat gründen kann
und unabhängig von den anderen ist. Palästinenser sollen sich
frei in der Welt bewegen können ohne Problem wegen ihrer Herkunft
zu bekommen.
7) Meine Angst ist, dass dieser Konflikt noch länger andauert und
die Situation sich weiter verschlechtert.
8) Religion ist wichtig für mich. Ich bin Muslim und stolz darauf.
Wie der Islam in der Welt gezeigt wird, ist traurig, weil es gar nicht
der Islam ist, sondern Extremisten und Organisationen, die eigentlich
nichts mit der Religion zu tun haben, sondern nur die Schuld auf diese
Religion schieben, um ihre Taten zu rechtfertigen.
9-10) Ich sage dazu, dass ich bereit bin Fragen zu beantworten wenn sie
Fragen haben.
Nummer 3:
1) Ich lebe mit meiner Familie in Süd-Jerusalem Mein Vater ist Finanzberater
und meine Mutter ist Lehrerin. Ich habe zwei Geschwister, einen Bruder
(15 Jahre) und eine Schwester (14 Jahre).
2) In meiner Freizeit treffe ich mich mit Freunden, mache Sport oder sitze
am Computer.
3) In Deutschland studieren.
4) Heutzutage ist die Lage in unsere Region sehr problematisch und angespannt.
Meiner Meinung nach müssen sich beide Seiten auf eine gerechte Lösung
für den Konflikt entscheiden.
5) Ich mochte später eine Familie gründen, aber mit einer jüdischen
Frau kann ich mir das nicht vorstellen aufgrund der Lage.
6) Ich hoffe, dass es bald eine gerechte Lösung für den Konflikt
geben wird.
7) Meine Ängste sind, dass dieser Konflikt noch länger dauert.
8) Ich bin stolz Muslim zu sein, aber Religion ist für mein Leben
nicht wichtig.
Nummer 4:
1) Ich habe drei Geschwister: eine Schwester, die zur Uni geht, und noch
eine Schwester und einen Bruder, die Zwillinge sind; sie sind jünger
als ich. Wir leben in Beit Jala.
2) Ich habe das Gefühl, dass meine Freizeit zu begrenzt ist. Der
Grund dafür ist, meiner Meinung nach, weder die Schuld der Schule
noch der Familie, sondern meine falsche Zeiteinteilung. Ich finde, dass
man nur selten zu beschäftigt ist; das Organisieren und die Zeiteinteilung
sind oft ein Hindernis. Freizeit gehört auch dazu. Ich habe ausgemacht,
dass ich an vier Tagen in der Woche eine Stunde für eine Serie Zeit
haben darf. Zudem, spreche ich mit Freunden auf Whatsapp, und zwar täglich
und mehrmals.
3) Ich möchte im medizinischen Bereich arbeiten.
4) Ich sehe, dass es für beide Seiten in dem Konflikt keinen positiven
Entwicklungen gibt. Es werden noch Menschen getötet und illegal gefangen,
Häuser und Felder zerstört, Länder weggenommen, Siedlungen
gebaut und vieles mehr. Und das passierte vor, während und nach den
Friedensverhandlungen, die mehr als 20 Jahren dauerten - auch bis jetzt.
Israelis sagen, sie wollen Frieden. In meinen Augen finde ich aber auch,
dass wer Frieden will, auch Frieden ermöglichen muss; Was ich eben
erwähnt habe zeigt meiner Meinung nach nicht, dass Frieden möglich
ist. Obwohl ich möchte, dass ganz Palästina von denen besetzt
werden soll, die das Recht dazu haben und zwar von den Palästinensern,
finde ich dies etwas schwer. Wenigstens als ein Staat anerkannt zu werden,
ist schon mal ein guter Schritt. Von manchen sind wir noch nicht anerkannt.
Zudem ist es nötig, Unabhängigkeit zu kriegen.
5) Eine Familie gründen – vielleicht, aber das ist nicht mein
Lebensziel. Wenn ich den Richtigen finde, dann werde ich mich mit diesen
Fragen beschäftigen.
6) Als ich klein war, habe ich meine Geburtstagswünsche vergeudet
sozusagen, indem ich so gesagt habe: „Ich wünsche mir, ich
wünsche mir von tiefstem Herzen, mit Drachen zu fliegen, zu einem
weit weg entfernten Land"(ich war so in Comics vertieft!) Vielleicht
sind meine jetzigen Wünsche schwieriger zu erfüllen als diejenigen,
die ich früher hatte. Ich wünsche, dass das Leiden beendet wird.
Und, dass die Menschheit wieder menschlich wird.
7) Die Realität macht mir Angst. Und auch älter zu werden.
8) Ich sehe, dass das Glauben eine Beziehung nur zwischen dem Menschen
und seinem Gott ist, die diesen Menschen besser machen soll.
Ohne zu planen oder zu denken, denke ich, dass kein Tag vorbeigeht, ohne,
dass Gott in unser Leben tritt. Wenn wir etwas Schönes, Überraschendes
sehen, wenn wir erschrocken oder verärgert werden, dann sagen wir:
„Oh, mein Gott" und bitten Ihm um Hilfe und Kraft. Es kommt
spontan raus und deswegen finde ich, dass Religion wichtig ist. Glauben
gibt uns Hoffnung und Geduld, was wir auch, besonders in dieser Situation,
gut gebrauchen können.
9) An dem Konflikt ist nicht die Religion schuld: Juden, Christen und
Muslimen haben seit Ewigkeiten harmonisch gelebt, früher haben wir
uns gegenseitig unsere Kinder anvertraut! Jeder hat Recht auf das Leben
und auf Raum, auf dem man leben kann. Ob es richtig ist, dass man die
Bewohner vertreibt, um dort zu leben, das muss jeder selbst entscheiden.
10) Palästinenser sind normale Menschen. Ich werde nicht sagen gute
oder schlechte Menschen, weil das nicht gesagt werden kann. Es gibt gute
und schlechte Palästinenser, so wie es gute Juden und schlechte Juden
gibt. Ich weiß, dass es gute Juden gibt; es gibt Juden, die es ablehnen,
die Palästinenser zu töten, ihren Besitz zu stehlen und die
die Tatsache der Besatzung ablehnen.
Nummer 5:
1) Ich bin 16 Jahre alt, habe zwei ältere Schwestern (eine 19 und
eine 21), mein Vater ist Deutsch- und Englischlehrer und meine Mutter
Hausfrau und ich wohne in Beit Jala
2) Computerspielen, Lesen, Cello spielen und Mathematik- und Physik-Lernen
3) Maschinenbau, Bauingenieurwesen, Astrophysik oder Reine Mathematik
studieren.
4) Also hier kann ich nichts außer "normal" sagen (wahrscheinlich
besser als in der West Bank oder in Gaza), aber die Einwohner da sind
auch Menschen, die ihre Leben leben wollen. Aber von der Mentalität
her würde ich sagen, dass ich keine Ahnung habe, weil es für
mich schwer vorzustellen ist, wie dein Besatzer von dir denkt und wie
sie sich die Realität vorstellen. Um das besser zu machen, glaube
ich, muss man beide Seiten einander vorstellen, um einander zu zeigen
dass beide Seiten Menschen sind und dass dieser Kampf sinnlos ist
5) Eine eigene Familie ist eine Möglichkeit, aber kein Muss. Eine
jüdische Frau zu heiraten ist auch vorstellbar, weil Religion nie
eine große Rolle in meinem Leben gespielt hat und wenn sie mich
liebt und ich sie liebe, ist das genug.
6) Dass ich alle Geheimnisse unseres Weltalls entdecken kann (was auch
leider unmöglich ist), weil der Weltall das einzige und größte
Rätsel ist und meiner Meinung nach die einzige Sache, die bedeutsam
ist.
7) Nicht wirklich eine Angst, sondern eine Enttäuschung ist, dass
ich meine Wünsche nie erreichen werde.
8) Nein, Religion hat nie eine große Rolle in meinem Leben gespielt,
weil ich Atheist bin und Religion noch nie sehr überzeugend fand.
9) und 10) Ich hoffe, dass unsere politische Lage uns nicht behindert,
miteinander zu arbeiten, um Großes zu erreichen.
Zu
den palästinensichen Schüler/Innen
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zur Projektbeschreibung
Text: Annette Kliewer
Bild: Stefan Meißner
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