"Fünfmal Sabra und Shatila"
Bericht über ein Chattforum der "Aktion Kinder des Holocaust" mit Sami Daher, einem in der Schweiz lebenden Palästinenser mit israelischem Pass.

Viele Fragen an den Chat-Gast waren natürlich durch die gegenwärtige politische Lage nach dem Anschlag auf das World-Trade-Center bestimmt. Entschieden distanzierte er sich von den auf der Straße jubelnden Palästinensern, die das westliche Fernsehen kurz danach gezeigt hatte: "Gerade wir, die das Leiden an unseren Körpern kennen und unzählige Masakker erlebt haben: World-Trade-Center macht fünfmal so viele Opfer wie Sabra und Shatila zusammen."

Die Herkunft des Antiamerikanismus in der arabischen Welt sieht Sami Daher in der einseitigen Politik der USA im Palästina-Konflikt begründet: "Die wiedersprüchlichen Haltungen der USA gegenüber Diktaturen und Demokratien im Nahen Osten sind eine der Ursachen. Wenn es opportun ist, einen Diktator zu unterstützen, tut dies die USA, z.B. Saudi Arabien oder Irak während des Krieges des Iraks gegen Persien, und wenn es opportun ist, Demokratie und Menschenrechte zu forden, wie in Syrien und wie in Jemen, dann tun sie es auch."

Arafats öffentlichkeitswirksame Blutspende nach dem Attentat in New York beurteile der Palästinenser eher kritisch: "Die solidarische Geste von Arafat, Blut für die Opfer in den USA zu spenden, empfinde ich als Palästinenser tragisch-komisch. Es führt nicht dazu, den Hass gegen Moslems und Araber zu verringern, es macht sie lächerich. Besonders da Palästinenser im Krieg mit israel ihr Blut selbst brauchen." Er betonte die Verantwortung Arafats gegenüber seiner eigenen Bevölkerung, "die zuschaut wie das palästinensische Blut vergossen wird, während er sein Blut für die USA gibt. Dies ist in meinen Augen seinem eigenen Volk gegenüber unverantwortlich. (..) Arafat schwächte (..) seine Position nach innen weiter, er hätte seinen Standpunkt auch in einer Rede zeigen können und gleichzeitig aufrufen, nicht zu jubeln, denn es ist ein Verbrechen dies zu tun.

Daher zeigte sich zuversichtlich, dass die Aqsa-Intifada die letzte Intifada in der Geschichte des Palästina-Konfliktes ist. Danach gebe es endlich ein unabhängiges Palästina: "Als ersten Schritt brauchen wir eine klare Unabhängigkeit. (..) Wenn die Unabhängkeit da ist, ist die Kooperation und die Koexistenz für beide Staaten wichtig. Visionär kann man dann auf einen Staat hin arbeiten, der für beide Völker entsteht, in welchem beide Völker gleichberechtigt leben können." Dazu müsse Israel aber "das Verbrechen anzuerkennen, das sie den Palästinensern vor 53 Jahren angetan haben". Er verlangte auch Wiedergutmachung und Akzeptanz der Rückkerrechte der Palästinenser, die von den UNO 110mal bestätigt worden seien.

Darauf angesprochen, ob es nicht ein historischer Fehler gewesen sei, dass die Araber den UN-Teilungsplan von 1947 abgelehnt haben, antwortete Sami-Daher: "Ein UN-Teilungsplan, der ein Land zerteilt, ohne seine Bevölkerung zu befragen, ist eine kollektive Menschrechtsverletzung ohne gleichen. Man kann nicht über die Köpfe der Bewohner eines Landes dieses zerreißen."

Das Forum wird am 2. Oktober fortgesetzt werden. Das Thema wird dann heißen: "Internet-Recht". Soll mit rechtlichen Mitteln wirksam gegen unerlaubte Inhalte vorgegangen werden, dann auch im Internet an der Quelle, also am Anfang und nicht am Ende der 'Leitung' bei den Abrufern? Eine Frage, die gerade auch im Blick auf Nazi-Seiten zu diskutieren sein wird.