Die Geschichte Israels

von Stefan Meißner

18. Die Perserzeit


Persische Krieger - Palast des Darius in Susa

Literatur
Literatur
Johann Maier: Zwischen den Testamenten: Geschichte und Religion in der Zeit des zweiten Tempels
Peter Schäfer: Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Stuttgart, 1983
Markus Sasse: Geschichte Israels in der Zeit des Zweiten Tempels, 2. Aufl. 2009, S.34ff.
Martin Hengel, Judentum und Hellenismus, WUNT 10, Tübingen 3. Aufl. 1988
Herbert Donner: Geschichte Israels und seiner Nachbarn in Grundzügen, Bd 2, 2. Aufl. Göttingen 1995, Von der Königszeit bis zu Alexander dem Großen. Mit einem Ausblick auf die Geschichte des Judentums bis Bar Kochba S. 423ff.;

18.1 Die persische Religionspolitik

Anders als Babylonier und v.a. Assyrer verzichteten die Perser darauf, die von ihren unterworfenen Völker religiös und kulturell zu bevormunden. Sie waren im Gegenteil darauf bedacht, die verschiedenen lokalen Kulte ihrer Vasallen zu fördern und deren Heiligtümer auszubauen.

Ausdruck dieser „toleranten“ Religionspolitik war auch das sog „Kyrosedikt“: ein von Kyros II. (559-530) verfügten Erlass, der die Wiedererrichtung des zerstörten Jerusalemer Tempels anordnete. Dieses Edikt liegt in zwei Versionen vor: einer aramäischen (Esr 6,3-5) und einer hebräischen Fassung (Esr 1,1-4, vgl. 2 Chr 36,22f.). Die erstgenannte Version scheint die Kopie eines authentischen Dokuments aus den persischen Archiven in Ekbatana gewesen zu sein, während die hebräische Fassung ein Dokument chronistischer Theologie ist. Der wesentliche inhaltliche Unterschied besteht darin, dass die hebräische Fassung nicht nur vom Tempelbau, sondern auch von der Rückkehr der Exulanten spricht. Diese fand aber nicht schon 538, sondern erst in den zwanziger Jahren des 6. Jahrhunderts in einem nennenswerten Ausmaß statt (vgl. H. Donner: Geschichte Israels und seiner Nachbarn in Grundzügen, Bd. 2, S. 444).

18.2 Scheschbazzar und Serubbabel

Scheschbazzar war der erste Statthalter (pecha) der neu geschaffenen persische Provinz Jehud. Manche vermuten, dass er trotz des babylonischen Namens ein Judäer war, doch das bleibt ungewiss. Jedenfalls war Scheschbazzar beauftragt, die gestohlenen Tempelgeräte wieder nach Jerusalem zurück zu bringen (Esr 5,15). Möglicherweise sind ihm damals erste judäische Rückkehrer in die Heimat gefolgt.

Serubbabel, ein Nachkomme Davids, hat die Arbeit Scheschbazzars dann offensichtlich weitergeführt. Unter ihm wurde dann der Neuaufbau des Tempels begonnen (Hag 1,2-4, anders Esr 5,14-16). H. Donner (Geschichte Israels und seiner Nachbarn in Grundzügen, Bd. 2) bemerkt im Blick auf seine Person mit Recht, man begegne hier zum ersten Male in der Geschichte des israelitischen Messianismus der Messiasproklamation einer bestimmten, konkreten, bereits vorhandenen und nicht erst für die Zukunft erwarteten Person (S. 446).
Zuweilen werden Scheschbazzar und Serubbabel auch miteinander identifiziert, wofür es aber (außer der Verwechslung der beiden bei Josephus, Antiquitates 11,13) keinen guten Grund gibt.
515 v.Chr. wurde dann der Tempel vollendet und eingeweiht. Dass in dem Bericht davon Esr 6,15-18 Serubbabel nicht mehr erwähnt wird, muss nicht heißen, wie manche vermuten, dass er wegen politischer Umtriebe von den Persern beseitigt worden ist.

18.3 Esra und Nehemia

Zenger: Einleitung in das ATDie Reihenfolge der beiden Akteure ist unklar (dazu Erich Zenger: Einleitung in das Alte Testament u.a., S. 242f.). Manches deutet darauf hin, dass sie Zeitgenossen gewesen sind (Neh 8,9 und 12,36). Dann stellt sich die Frage nach ihrer jeweiligen Rolle aber umso schärfer.
Manche Forscher halten Esra für eine chronistische Erfindung. Damit entfiele das Problem der historischen Verhältnisbestimmung. Doch ist diese Position nicht haltbar. Andere ziehen eine Spätdatierung Esras vor: Er sei im 7. Regierungsjahr des Artaxerxes II. (398 v.Chr.) nicht des Artaxerxes I. (458 v.Chr.) zu seiner Mission aufgebrochen. Wenn aber, wie oft vermutet, Neh 7-10;12 spätere Zusätze von chronistischer Hand sind, dann entfällt ohnehin die Notwendigkeit das Nebeneinader von Esra und Nehemia historisch zu erklären.

18.4 Nehemia

Nach Neh 1, und 2,1 brach Nehemia be Chakalja im 20. Jahr des Artaxerxes I. (445/44) nach Jerusalem auf, wo er sich (nach 5,14) 12 Jahre lang (also bis 433/32) aufhielt. Nach 1,1 war er Mundschenk des Perserkönigs gewesen – eine nicht unbedeutende Stellung am Hofe in Susa.
Nehemia scheint der erste Provinzgouverneur (pechah) von Judäa innerhalb der Satrapie Transeuphrat gewesen zu sein. Darauf deuten nicht nur Neh 5,14f.;12,26, sondern auch Texte aus der jüd. Militärkolonie in Ägypten Elephantine hin. Außerdem tauchen seit dieser Zeit Krughenkel und Münzen mit der Aufschrift „jehud“ auf.
Eine der ersten Maßnahmen nach der Ankunft Nehemias in Jerusalem war der Wiederaufbau der Stadtmauer, wogegen die Samaritaner beim Großkönig (zunächst sogar mit Erfolg) Protest einlegten. Eine archäologische Bestätigung für die Mauer Nehemias fehlt bisher, aber man kann vermuten, dass sie im wesentlichen der alten, von den Babyloniern zerstörten Mauer folgte. Eine weitere wichtige Maßnahme Nehemias war der allgemeine Schuldenerlass (Neh 5,1-13), mit dem er die starken sozialen Spannungen abmilderte, die es im Land gab. Ferner ergänzte er die dezimierte Einwohnerschaft Jerusalems durch Zuzüge vom umliegenden Land (Neh 7,4f.). Außerdem verbot er Mischehen mit ausländischen Frauen (Neh 13,23-27), wodurch er den Fortbestand des Judentums als ethnische Größe sicherte.

18.5 Esra

Esra ben Seraja war ein jüdischer Priester aus einer zaddokidischen Familie (Esr 7,12), die nach Babylon deportiert worden war. In der aramäisch verfassten Amtsanweisung Esr 7,12-26 heißt es, er sei vom persischen König beauftragt gewesen, „das Gesetz des Himmelsgottes“ in Judäa in Kraft zu setzen. Der Chronist identifiziert dieses Gesetz eindeutig mit der Tora des Mose (7,6), also den 5 Büchern Mose, die damals bereits kanonische Geltung besaßen. Manche Forscher meinen, es habe sich nur um Teile des Pentateuch gehandelt, etwa um die sog. Priesterschrift. Andere Experten denken an das Deuteronomium, wieder andere bestreiten überhaupt Zusammenhänge mit der Bibel und meinen, es sei das königliche persisches Recht, das Esra nach Jerusalem gebracht habe.

Auf dieses „Gesetz des Himmelsgottes“ was auch immer sich hinter dem Begriff genau verbirgt - ließ Esra die Israeliten in einem feierlichen Akt der Bundeserneuerung verpflichten. Das Zentrum seiner Mission lag offensichtlich eher im religiösen Bereich, während sich Nehemia vornehmlich um politische und soziale Fragen kümmerte. Im Einzelnen aber ist die Zuordnung der beiden Protagonisten schwierig.

Bildnachweis
Pers. Krieger: Stefan Meißner; Pergamon-Museusm, Berlin